„Jeder, der in den Hochlagen unserer Gebirge vor der Aufgabe gestanden hat, frisches Material für wissenschaftliche Bearbeitung zu gewinnen, kennt die großen Schwierigkeiten, die ihm der oft viele eter dicke Verwitterungsgürtel entgegensetzt. In tieferen Lagen des Hochgebirges und in den Mittelgebirgen überall bedeckt Almboden und Waldvegetation das Land, den anstehenden Felsuntergrund verhüllend; der aufnehmende Geologe wird an spärliche Aufschlüsse gewiesen sein und mit Freude jede Gelegenheit wahrnehmen , die ihm neue und wertvolle Einblicke in den Erdkörper ermöglicht. Solche Gelegenheit werden für ihn diejenigen sein, wo große technische Eingriffe in das Innere der Erde vorgenommen werden: Tunnelbauten, Stollenanlagen, Straßen- und Eisenbahneinschnitte; doch auch alle anderen kleineren Unternehmungen, wie Steinbrüche und dergleichen werden ihm hochwillkommene Gelegenheiten zur Gewinnung tiefer Einblicke sein, die er um so lieber nutzen wird, je seltener in dem betreffenden gebiete natürliche Aufschlüsse zur Verfügung stehen.“
Hradil, G. „Ueber kristalline Gesteine und Gesteinstechnik“
Hradil, G. „Ueber kristalline Gesteine und Gesteinstechnik“
Abb.1. Der Bau des Mont-Cenis-Tunnels zwischen Italien und Frankreich.
Neben rein geologischen Aspekten, haben Tunnel und Stollen auch sehr praktische Anwendungen. Bereits in der frühen Bronzezeit wurden Stollen und Schächte angelegt für den Abbau von Kupfererz. In Nordtirol wurde ein 25m langer Schacht auf ein Alter von 2.800 datiert. Die aufwendigen Anlagen für Erzabbau und –schmelze weisen darauf hin, das hier professionelle Minenarbeiter am Werk waren. Knochenreste zeigen weites an, das die Bergleute gut versorgt wurden, mit Fleisch von Schwein, Schaf, Ziege und Rind (wobei Ochsen auch als Zugtiere verwendet werden konnten).
Im Altertum wurden neben Minen auch Stollen für die Wasserversorgung angelegt, so in Mykene um 1.200 v. Chr. Und in Jerusalem um 1.000 v. Chr.
Überraschenderweise war der konventionelle Vortrieb, mit Hammer, Meißel und Muskelkraft noch weit bis ins 17.Jahrhundert gängig. Erste Versuchssprengungen wurden erst 1627 durchgeführt. Der 1679-1681 ausgeführte Malpas-Tunnel in Frankreich war der erste durch Sprengungen aufgefahrene Verkehrstunnel.
Hydraulische Bohrer und Tunelbaumaschinen kamen um 1860-70 auf.
Abb.2. Tunnelbohrmaschine um 1881.
Erste große Tunnel in Lockergestein, wie die Unterfahrung der Themse in London, wurden um 1850 in Angriff genommen.
Franz von Rziha verfasste in 1872 das umfassende „Lehrbuch der gesammten Tunnelbaukunst“ und führte mit der „Gesteinsclassification für Tunnelbauten“ die sieben Gesteinsklassen ein die auch heute noch oft im Tunnelbau zur Anwendung kommen, um das Gebirge nach geotechnischen Gesichtspunkten hin einzuteilen – denn mineralogisches Gestein ist nicht gleich geotechnisches Gestein.
„Es giebt, um thatsächliche Beispiele anzuführen, Kalk- und Sandsteine, die vom Mineralogen mit einem und demselben Härtegrad belegt und von ihm in ein und dieselben Klasse gereiht werden, welche aber der Gewinnungsarbeit so verschiedenartige Aufwand abringen, dass jene Fälle nicht selten sind, wo die Gewinnungskosten in einem Falle noch einmal so viel, als in dem anderen betragen.“
1857 wurde am Mont-Cenis-Tunnel zwischen Frankreich und Italien zum ersten Mal hydraulische Bohgeräte eingesetzt und in 1867 erfand Alfred Nobel das Dynamit, das sicheren Sprengstofftransport und Sprengungen im Berg ermöglichte.
Literatur:
RZIHA (1872): Lehrbuch der gesammten Tunnelbaukunst.