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Channel: Geschichte der Geologie
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Der Titanic-Eisberg

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 Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"The Science behind the Iceberg that sank the Titanic"

In der Nacht vom 14. zum 15. April 1912 kollidierte eines der modernsten und größten Schiffe seiner Zeit im nördlichen Atlantik mit einem mittelgroßen Eisberg. Ein direkter Aufprall wurde durch ein Ausweichmanöver verhindert, allerdings wurde der Bug der "Titanic" auf einer Länge von 90m beschädigt und die vernieteten Stahlplatten platzten abschnittsweise auseinander - Wasser dringt ein und zieht langsam aber unerbittlich den Bug unter die Wasserlinie, das Schiff ist verloren.



Das Schicksal der Titanic hat zahllose Bücher und Filme inspiriert, die Geschichte des zweiten großen Darstellers, des Eisbergs, ist heute aber fast vergessen. 

Abb.1. Eisberg und Eisfeld, fotografiert von Bord der "Carpathia", das erste Schiff das die Unglückstelle am Morgen des 15. April erreichte, aus dem Buch "Sinking of the Titanic - The World´s Greatest Sea Disasters" (1912).Es gibt zahlreiche Berichte von Überlebenden - sogar die des Ausgucks der ihn als erster sichtete - die den Eisberg der Titanic beschreiben, und noch mehr Photographien die später von Schiffen aus aufgenommen wurden. Allerdings gibt es keinen eindeutigen Beweiße das unter den gesichteten Eisberge tatsächlich der "schuldige" Berg gefunden wurde.

Eisberge im Nordatlantik stammen vorwiegend von den kalbenden Gletschern an der Westküste von Grönland. Meeresströmungen treiben diese dann mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 0,7 Stundenkilometer zunächst nach Norden bis zur Kanadischen Küste. Hier geht die West-Grönland Meeresströmung in den Labradorstrom über, der nach Süden hin "fließt" - und mit ihm auch zehntausende von kleinen und großen Eisbergen. Vor der Küste Neufundlands treffen die kalten Meeresströmungen auf den warmen Golfstrom. Nur noch wenige Eisberge überdauern bis zu diesem Punkt die 5.000 Kilometer lange Reise, aber genau hier kreuzen sie die viel befahrene Nordatlantikroute. Es wurde spekuliert ob 1912 die Anzahl von größeren Eisbergen in diesem Gebiet ungewöhnlich war. Zahlreiche telegraphische Meldungen wurden seinerzeit an die Titanic gesendet, zumeist von Schiffen die Eisberge gesichtet hatten oder in der Nacht auf eine Weiterfahrt verzichteten und vor Eisfeldern stoppten. Die Anzahl der Meldungen scheint außergewöhnlich hoch zu sein, allerdings gibt es keine offiziellen Zahlen, da vor 1912 Eisberge nicht überwacht wurden. Erst nach der Katastrophe wurden zunächst Frachter, später Kriegschiffe, auf Patrouille im Nordatlantik geschickt.
Das vermehrte Auftreten von Eisbergen wurde durch Temperaturschwankungen im Nordatlantik erklärt: nach einer Arbeitshypothese verstärkten milden Temperaturen in den Jahren 1900 bis 1910 die Aktivität der Gletscher in Grönland, mehr Eisberge wurden daher auf "die Reise geschickt". Eine alternative Hypothese schlägt vor, dass die kalten Wassertemperaturen seit 1910 ein Vorstoßen der Eisberge nach Süden hin begünstigte. Beide Hypothesen sind schwierig zu überprüfen, da es keine genauen Daten zur Anzahl der Eisberge bis 1912 gibt. Es scheint eine schwache Korrelation im 20 Jahrhunderts zwischen der Temperatur des Atlantiks und die Anzahl gesichteter Eisberge auf den 48. Breitengrad zu geben, allerdings sind die Schwankungen beträchtlich und vermutlich gab es bevor und nach der Titanic starken Eisgang; 1912 war daher wahrscheinlich kein besonderes Jahr und die Kollision, wie so oft, ein Unglück.

Geologische Schatzkammer Tauernfenster: Das Kupfer von Prettau

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Vor langer, langer Zeit trieb ein Bauer einen Stier, den er auf dem Markt gekauft hatte, über den Alpenhauptkamm vom Zillertal zum Ahrntal. Der Bauer hatte seine liebe Not mit dem bösartigen Tier, kaum hatte er es mit dem Stock gebändigt, riss es sich los und stürmte vom Weg. Der Bauer folgte dem Tier, das in seiner Wut ein großes Loch mit seinen Hörnern in den Boden gegraben hatte. Dem Bauer fielen einige Brocken des Gesteins, und vor allem sein goldenen Glanz auf. Ein örtlicher Schmied, dem er einige Brocken davon zeigte, bestätigte ihm, das es sich zwar nicht um Gold (wie im Zillertal gefunden), aber doch um ein wertvolles Gut handelte: Kupfererz.

So, oder so ähnlich, wurde einer alten Sage nach die Kupfererzlagerstätte von Prettau (Ahrntal) einst entdeckt - eine Lagerstätte die im Mittelalter für ihr reines Kupfer weit über die Landesgrenzen von Tirol hinaus bekannt war. Moderne Forschung lässt eher vermuten, dass bereits in prähistorischen Zeiten, zur  Bronzezeit, Kupfererz an den oberflächlichen Ausbissen der Erzgänge gesammelt wurde. Historisch belegen lassen sich eine mittelalterliche Abbautätigkeit - das Kupfer von Prettau wurde 1426 dazu benutzt, so die erhaltenen Dokumente, um zwei Bronze-Kanonen zu gießen.

Fig.1. Ausbiss von vererztem Grüngestein auf un gefähr 2.000m Seehöhe, wahrscheinlich seit prähistorischer Zeit bekannte Fundstelle für Erzgestein. Die rechteckige Grube im Felsen sind die Reste einer mittelalterlichen Probegrabung.

Fig.2. Detail vom Aufschluss mit Anzeichen von Eisenverwitterung, Hinweiß auf den Reichtum der im Gestein verborgen ist.

Die Erzlagerstätte von Prettau ist an metamorphen "Grüngestein"* gebunden, die als linsenförmige Körper in den Kalkschiefern der Bündner Schiefer (eine tektonische Decke des Tauernfensters) auftreten (*es handelt sich genau genommen um Epidot-führende Prasinite und Amphibolite mit Cu-Fe-Sulfid Vererzungen). Die geologische Interpretation geht davon aus, dass es sich um die umgewandelten Reste von magmatische Intrusionen in den ehemaligen kalkigen Sedimenten des Ozeanbodens handelt. 

 Fig.3. Verfaltete Kalkschiefer des Bündnerschiefer-Komplexes.

In der abbauwürdigen Lagerstätte ist gediegenes Kupfer sehr selten, meistes handelt es sich um diffus verteilte, schicht- oder gangförmig auftretende  Kupfer/Eisensulfide - wie Chalkopyrit, Chalkosin, Sphalerit, Pyrit - die zusammen mit Oxide/Hydroxide - wie Hämatit und Magnetit - auftreten. Die Entstehung dieser Lagerstätte ist nicht restlos erklärt, entweder handelt es sich um die fossilen Reste von hydrothermalen Feldern (dies könnte die schichtförmige Verteilung es Erzes erklären) oder  um eine sekundäre Mineralgenese, die durch zirkulierende Fluide in den Gesteinen abgelagert wurde.

Fig.4. Der 500 Meter lange St. Christoph Stollen (auf 514m Seehöhe) wurde 1585 begonnen und erreichte 18 Jahre später das Erz - die oberflächlichen Erzlager waren in dieser Zeit längst erschöpft und man folgte dem linsenförmigen Erzkörper tief hinein in den Berg. 
Der geschrämte, also mit Werkzeugen vorgetriebene Stollen erschloss die ergiebigsten Erzlägerstätten des Bergwerkes. Im Jahre 1637 wurde im diesem Stollen die Schießtechnik, die Sprengung mit Schwarzpulver eingeführt, eine Technologie die im Bergbau revolutionäre Veränderungen bringen sollte.Typisch für das Bergbaugebiet sind auch die Quellen und Grubenwässer, die mit Mineralien übersättigt sind und aus denen rostrote Eisen- und grünliche Kupfermineralablagerungen ausgefällt werden.

Mit der Entdeckung und Ausbeutung der großen Kupferlagerstätten in Südamerika im 19. und 20. Jahrhunderts verlor das Bergwerk von Prettau rasch an Bedeutung - Prettau konnte nicht mit dem billigen Kupfer aus den großen Tagebauen in Amerika mithalten.
Die letzten größeren Investitionen in die Infrastruktur wurden 1880 getätigt, mit dem Bau einer Schmelzhütte und den Abbau von Pyrit für die Schwefelgewinnung, allerdings verzögerten diese  Bestrebungen die Schließung des Bergwerkes nur um einige Jahre. Die Prettauer Grube wurde schließlich 1893 geschlossen. In den Jahren 1957 bis 1971 wurde nochmals versucht mit Pyritabbau und einer kleinen Belegschaft den Minenbetrieb wieder aufzunehmen.  1970 wurden die Umweltauflagen verschärft - die ungeklärten Minenabwässer sollten aufbereitet werde  - und die Betreiberfirma schloss das Bergwerk um 1971.
Nach 500 Jahren aktiver Bergbautätigkeit wurde der Bergbau in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgegeben. 
Das Schürfrecht wurde 1982 noch einmal an eine Privatperson vergeben, die Hobbymäßig geringere Kupfermengen gewann - interessanterweise mittels der so genannten Kupferzementanlage. Das Grundwasser des Bergwerks ist durch mikrobielle Tätigkeit an Kupferionen übersättigt, durch Einlegen weniger edler Metalle (z.B. Eisen) scheidet sich  elementares Kupfer in Form von Kupferschlamm ab. Die so gewonnen Mengen waren, und sind, allerdings sehr bescheiden. In den 80 Jahren wurde die Gründung eines Museum zur Bergbaugeschichte in Erwägung gezogen, 1996 war es schließlich soweit, mit der Eröffnung des "Schaubergwerk Prettau" und der Herrichtung der erhaltenen Anlagen als Schaustollen und Lehrpfade.

Heißer als die Hölle: Vulkanische Glutströme

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  Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"Geology Scene Investigation: Death by Volcanic Fire"

Am 8. Mai 1902 brach der "erloschene" Vulkan Pelèe auf der Karibikinsel Martinique aus. Von über 30.000 Einwohnern der nahen Stadt Saint-Pierre überlebten nur drei. Darunter ein kleines Mädchen, das in einer Höhle nahe am Strand Schutz gefunden hatte, und nach seiner Rettung einen erstaunlichen Augenzeugenbericht ablieferte:

"Bevor ich [an der Höhle] ankam, schaute ich zurück und die ganze Flanke des Berges, die zur Stadt zeigte, schien sich zu öffnen und eine kochende Masse ergoss sich über die schreienden Menschen. Ich wurde von Steinen und der Asche die auf mein Boot fielen verbrannt, aber schließlich schaffte ich es in die Höhle..."

Die ersten Forscher die einige Wochen später die Ruinen der Stadt untersuchten waren überrascht vom Ausmaß der Zerstörung. Beinahe jedes Haus war bis auf die Grundmauern verschwunden, die Körper der Toten waren teilweise schrecklich entstellt, mit den Gedärmen aus den Körpern gedrückt, Bei anderen verbrannten Leichen dagegen waren teilweise die Kleider noch intakt. Die Suche nach Ablagerungen eines Lavastroms, die vermutete Hauptursache der Zerstörung, blieb erfolglos. In den Ruinen fand man allerdings geschmolzene Gegenstände aus Glas (Schmelztemperatur ungefähr 700°C) - Kupferleitungen und Telegraphendrähte waren dagegen intakt geblieben (Schmelztemperatur von Kupfer ist ungefähr 1.100 C), daraus schloss man das was auch immer geschehen war, die Temperaturen in der zerstörten Stadt um die 700-1000 °C gelegen hatten (*). Am 9 Juli desselben Jahres beobachteten zwei Geologen, die von den Ruinen von St. Pierre aus in See gestochen waren, ein bis dahin unbekannte vulkanische Eruptionsphase des Mount Pelée:

"Die Wolke hatte eine runde Form und erinnerte an eine Masse von Protuberanzen, die sich mit schrecklicher Geschwindigkeit und Energie ausdehnten. Sie reichte bis zur See und bewegte sich in unserer Richtung, kochend und mit jedem Augenblick sich verändernd in Form. Sie breitete sich nicht seitlich aus, oder stieg hoch in die Atmosphäre auf, aber bewegte sich auf die See als eine turbulente Masse…"

Die unheimliche Wolke erreichte nicht das Boot, sondern stieg im letzten Moment auf, schwebte über das Boot und löste sich dann langsam auf. Allerdings fielen Steine und Asche auf die beiden erschrockenen Männer - es handelte sich also nicht um eine gewöhnliche Wolke aus Gas und Dampf, sondern um ein Strom aus festen Partikel, der der Schwerkraft folgend an den Hängen des Vulkans zunächst an Geschwindigkeit gewann, und sich danach auf ebene oder flach geneigte Flächen ausbreitete - ähnlich wie eine Lawine. Diese Beobachtung erklärte was mit St. Pierre geschehen war. Vom Gipfel des Vulkans Pelèe hatte sich eine solche Lawinen aus heißen Gasen, Gesteinsfragmente und Asche gelöst. Die Masse folgte zunächst einem Tal, das genau in Richtung Pierre zeigte, überwand eine kleine Anhöhe vor der Stadt und fegte mit verheerender Gewalt über die Stadt hinweg - bis weit in die See hinaus, wo geankerte Schiffe in Brand gesetzt worden waren.


Es war der französische Geologe Alfred Lacroix (1863-1948) der dieses Phänomen genauer untersuchte, dokumentierte und schließlich auch eine Namen dafür vorschlug - "nueé ardente" bzw. Glutlawine.
Lacroix vermutet allerdings, dass die Schwerkraft allein nicht ausreichte um die Wucht der Glutlawine zu erklären. Er schlug vor, dass ein Stöpsel aus zähflüssiger Lava den Krater des Vulkans so lange verstopft hatte, bis der zunehmende Druck eine seitliche Schwachstelle gesprengt hatte - und so einen tödlichen Fluss in Richtung St. Pierre geschleudert hatte.

Abb.1. Original-Photographien von Glutströmen des Mount Pelée, aufgenommen im Dezember 1902, von LACROIX, A. (1904) : La Montagne Pelée et ses éruptions. Masson et Cie, Paris.

Glutlawinen, oder pyroklastische Ströme, sind besondere Eruptionsphänomene die eng an den Chemismus der Lava und den Vulkantyp gebunden sind. Saure Vulkangesteine sind zäh genug um Vulkanschlote zu verstopfen bzw. Vulkandome oder Kuppen zu bilden, die bei Sprengung oder Kollaps zu einer Gerölllawine führen können. Die Geröllmasse folgt der Schwerkraft - allerdings herrschen in einem Partikelstrom andere physikalische Bedingungen als z.B. in einer Flüssigkeit - die Ausbreitungsart von Gerölllawinen ist daher noch nicht vollständig verstanden. Teilweise erfolgt die Bewegung auf einem Kissen aus Luft oder Wasserdampf (vor allem wenn der heiße pyroklastische Strom das Meer erreicht), ein Großteil der Bewegung wird allerdings auch durch das Gegenseitige Anstoßen der Trümmer und Partikel untereinander erzeugt - es ist sogar möglich das erzeugte Infraschall-Wellen in der Lage sind die Trümmer zu "tragen".
Wie auch immer, im Gegensatz zu einer Flüssigkeit sind solche Trümmerströme in der Lage auch Steigungen zu erklimmen.
Der Vulkan hatte schon Wochen vor seinem Ausbruch eine verstärkte Aktivität mit Erdbeben und Ascherregen gezeigt. De Einwohner von St. Pierre fühlten sich aber sicher, da zwischen Ihnen und dem Vulkan ein Bergrücken lag. Ein Lavastrom oder Schlammstrom hätte auch tatsächlich umgelenkt werden können, die Glutlawine allerdings überwand das Hindernis ohne größere Probleme.

Nachdem die physikalischen Ursachen der Katastrophe mehr oder weniger klar waren, stellte sich die Frage wie Glutlawinen ihre Opfer töten, auch um zu verstehen ob man sich in Zukunft vor einem solchen Phänomen schützen könnte. Eine Andere, viel ältere, aber ähnliche Katastrophe, konnte einige Antworten auf diese Frage geben. 1748 wurden die ersten Reste von Leichnamen in den verschütteten Ruinen der römischen Stadt von Pompeji entdeckt. In Pompeji können zwei Arten von Ablagerungen unterschieden werden: mächtige feinkörnige Ascheschichten und dünne, klastenreiche Ablagerungen von Glutströmen.

Abb.2. Ablagerungen eines pyroklastischen Stromes - in diesem Fall aus den Südalpen und mit permischen Alter. Charakteristisch sind die großen Schwankungen in der Korngröße (mit feinkörniger Matrix), die vulkanische Petrographie der Klasten und der thermische Reaktionssaum der größeren Klasten, verursacht durch die hohen Temperaturen innerhalb der Glutlawine.

 In der Stadt wurden über 300 Skelette oder Abdrücke von Leichen in den Ascheschichten entdeckt, die Menschen erstickten anscheinend oder wurden von den Gebäuden, die unter der Last der Asche zusammenbrachen, erschlagen. 650 Leichen wurden in unmittelbarer Nähe der Ablagerungen der pyroklastischen Ströme gefunden - vermutlich starben sie daher an den Effekten von eben diesen. Dort wo die vulkanischen Ablagerungen direkt die Knochen umschließen, war die Hitze anscheinend so hoch (um die 600°C), dass das Fleisch der Menschen einfach verdampfte. In Bereichen des Glutstromes mit geringeren Temperaturen blieben die Körper erhalten. Die berühmten Gipsabgüsse der Hohlräume, die übrig bleiben, nachdem die eingeschlossenen Körper zerfallen sind, zeigen Menschen die mitten in der Bewegung "erstarrten".  Die "geringere" Hitze des Glutstromes in diesen Bereichen (300-250°C) verursachte augenblickliche Krämpfe und die Lungen füllten sich mit heißer Asche und Gase - die Opfer "verkochten".
Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass die Temperaturen, gefolgt von der Bewegungsenergie und Asche/giftige Gase, die tödlichsten Eigenschaften eines pyrpoklastischen Stromes sind -  noch bis zu 10 km entfernt vom Gipfel des Vesuv waren die Temperaturen noch tödlich.

Auch die Opfer von St. Pierre wurden anscheinend durch zwei Eigenschaften des Glutstroms getötet - die schiere Wucht der bis zu 160km/h schnellen Masse tötete die Glücklichen auf der Stelle. Die gewaltige Hitze verbrannte die anderen bei lebendigem Leibe. Menschen die sich in Bereichen mit hohen Temperaturen aufhielten, zerplatzten regelrecht. Andere inhalierten die "kühleren" Gase und wurden lebendig von Innen nach außen gekocht, wobei die Kleider intakt blieben.

(*) In der Offenbarung des Johannes wird die Hölle als schrecklicher Ort, gefüllt mit geschmolzenem Schwefel, beschrieben. Schwefel verdampft bei 450°C – die meisten vulkanischen Phänomene spielen sich bei noch viel höheren Temperaturen ab.

Der Ausbruch des St. Helens

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  Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"May 18, 1980: The eruption of Mount St. Helens"

Am frühen Morgen des 18. Mai 1980 brach der Vulkan St. Helens im amerikanischen Bundesstaat Washington mit einer Wucht aus, die die Erwartungen der Geologen weit übertraf. Ein gewaltiger Erdrutsch an der nördlichen Flanke legte die Magmakammer frei, es kam zunächst zu Dampfexplosionen und dann zu einem gewaltigen pyroklastischen Strom, der über 600 Quadratkilometer Wald niederwalzte.

Die vulkanische Natur des St. Helens war seit 1835 bekannt, als eine kleinere Eruption beobachtet wurde. Allerdings existieren viel ältere indianische Legenden, die den St. Helens als "Feuerberg" beschreiben und berichten, dass er entstand, als sich zwei mächtige Krieger eine Schlacht aus Feuer und Asche lieferten.
St. Helens und andere Vulkane des Cascade Range wurden daher als aktiv erkannt, aber nicht als sonderlich gefährlich eingestuft, da es seit der europäischen Besiedelung nie zu wirklich starken oder gefährlichen Eruptionen gekommen war. Die Untersuchung  der vulkanischen Ablagerungen ließen allerdings gewaltige Ausbrüche erkennen, gekennzeichnet durch Schlammlawinen, pyroklastischen Strömen und Aschewolken.

57 Personen verloren am 18. Mai ihr Leben, darunter auch der Geologe David Johnston, der von seiner Beobachtungsstation als erster die Eruption ankündigte - über Radio funkte er noch "Vancouver, Vancouver, this is it!

Etwas Eis und reichlich Fisch

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Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"The discovery of the ruins of ice: The birth of glacier research"

Louis Rodolphe Agassiz wurde am 28. Mai 1807 geboren und ist heute vor allem als (Fische-) Paläontologe und Eiszeit-Advokat bekannt. 
Wie so oft in der Geschichte großer geologischer Ideen, war Agassiz nicht der Erste der Vorschlug, dass in der geologischen Vergangenheit Gletscher große Teile der damals bewohnten Welt (sprich Nordamerika und Europa) bedeckt hatten. Der Dänische Mineraloge und Bergsteiger Jens Esmark (1763-1839) publizierte bereits im Jahre 1826 einen Artikel, in dem er eine größere Ausdehnung der rezenten Gletscher vorschlug. Der schottische Geologe James Hutton (1763-1797) und sein guter Freund John Playfair (1748-1819) spekulierten über eine großflächige Vereisung  der nördlichen Hemisphere - tatsächlich wurden in der Universität Edinburgh diese glazialen Theorien sogar währen den Vorlesungen für Studenten diskutiert. 
Allerdings ist es tatsächlich Agassiz (und seinen guten Ruf in der damaligen Gelehrtenwelt) zu verdanken, dass die Eiszeittheorie nach einem Vortrag im Jahre 1834, und Publikation in 1840, rasch an Bedeutung und Akzeptanz gewann. Allerdings nicht ohne kleinere Rückschläge, in einem Brief an Agassiz schreibt Alexander von Humboldt am 2. Dezember 1837:

"Ich fürchte, Sie arbeiten zu viel, und (soll ich so offen sein ?) ich denke Sie breiten Ihren Intellekt über zu viele Subjekte gleichzeitig aus. Ich schlage vor, sie konzentrieren sich auf ihr großartiges Werk über fossile Fische…[]… Kein Eis mehr, nicht zuviel Stachelhäuter, und reichlich Fisch…"

Abb.1. Das Zeitalter des Diluviums, oder Eiszeit, Abbildung aus UNGER, F. (1851): Ideal Views of the Primitive World, in its Geological and Palaeontological Phases. Taylor and Francis, London

Die Entdeckung der Dolomiten

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Diedonnè-Silvain-Guy-Tancrede de Gvalet de Dolomieu wurde am 23. Juni 1750 im französischen Dorf Dolomieu geboren. Aus einer noblen, wenn auch verarmten Familie, widmete er standesgemäß der Diplomatie und der Naturerforschung. Mit 26 Jahren bereiste er halb Europa (anscheinend nicht ganz freiwillig, da er nach einem Duell mit tödlichem Ausgang aus Frankreich flüchten musste) und zeigte großes Interesse an den Bergwerken in der Bretagne, den Basalten in Portugal und der Erdbebenaktivität und den Vulkanismus in Süditalien. 1789 durchquerte er die Alpen mit seinem Schüler Kerl Fleuriau de Bellevue. In Tirol, zwischen den Städten von Bozen und Trient, bemerkte er ein weißes Karbonatgestein das jedoch, im Gegensatz zu klassischen Kalkstein, mit Säure nicht reagierte. Er veröffentlichte diese Beobachtung zwei Jahre später im "Journal of Physique". Nicolas de Saussure, der Sohn des großen Alpinisten / Naturforschers Horace Bénédict de Saussure forderte daraufhin  von Dolomieu einige Proben, um diese chemisch zu analysieren. De Saussure stellte fest, dass das Gestein aus einer Verbindung von Calcium, Kohlensäure und reichlich Magnesium bestand und es sich um ein neues, unbekanntes Mineral handeln musste. 1792 publizierte er seine Analysen in einem Artikel mit dem Titel "Analyse de la Dolomie". Das neue Mineral wurde daraufhin rasch als Dolomit bekannt, und der Name des Minerals wurde alsbald auf die weißen Gipfel der Dolomiten übertragen (übrigens der einzige Fall in dem das Mineral einer Gegend den Namen gab, und nicht umgekehrt). 

Abb.1. Leopold von Buch´s Karte "Esquisse d´une carte geologique de la parte meridionale du Trentino" (1822) zeigt die Verteilung von Karbonatgesteinen in Tirol - hellblau Kalkgestein, dunkelblau Dolomitgestein. Dolomieu sammelte die ersten Proben von Dolomit wahrscheinlich im Bereich des Brenners oder entlang der Etsch, nicht in den heutigen Dolomiten, die damals noch weit abseits der bekannten Reiserouten lagen.

Die Genese der Dolomiten war eines der großen geologischen Rätsel des 19 Jahrhunderts.  Fossilien ließen vermuten, dass die Gesteine die die Dolomiten bilden im Meer abgelagert wurden, allerdings war unklar warum einzelnen schroffen Gipfel und Klippen so prominent aus einer ansonsten recht  anmutigen Landschaft, mit ihren grünen Almen, herausstachen.

Am Ende des 18 und beginnenden 19 Jahrhunderts umsegelten die ersten wissenschaftlichen Expeditionen die Erde und erforschten die tropischen Meere, die Lebensformen die sich dort tummeln und die seltsamen geologischen Erscheinung die dort angetroffen werden können - wie Vulkaninsel, tropische Riffe und Atolle. Der junge Naturforscher Georg Forster (1729-1798) erkundete den Pazifik zusammen mit seinem Vater im Zuge einer Erkundungsmission von James Cook. Er schlug vor, dass Korallenriffe vom Grund des Meeres bis zur Oberfläche wuchsen, oder - den engen Zusammenhang von Vulkanen und Atollen bemerkend - von vulkanischen Kräften in die Höhe gedrückt worden waren (Vulkane waren in jener Zeit zu praktischen allem fähig).

Im Jahre 1842 veröffentlichte Charles Darwin ein Buch über die Korallenriffe des Pazifiks (die er während der Reise auf der "Beagle" besucht hatte), in dem er eine Arbeitshypothese zu ihrer Genese und eine vorläufige Klassifikation vorschlug. Darwin erkannte richtigerweise, das die Korallentiere, die in selbst gebauten Kalkgehäuse leben, auf die obersten Meter des Meeres beschränkt waren (Korallenpolypen leben in Symbiose mit einzelligen, photoautotrophe Algen) - es war daher nicht möglich dass hunderte Meter mächtige Korallenstöcke vom Grund des Meeres hinauf gewachsen waren. Darwin kehrte das Problem um, vulkanische (was sonst?) Bergrücken sanken langsam in die Tiefe, während die Korallen das Absinken durch ihr konstantes Wachstum abglichen. Dabei entstand im Laufe geologischer Zeiträume ein mächtiger Korallenstock, der weit über sein Umgebung hinausragte. 
Es war dieser Vorschlag  Darwins die den österreichischen Geologen Baron Ferdinand F. von Richthofen (1833-1905) auf die Idee brachten, dass in den Dolomiten genau eine solche Landschaft über geologische Zeiträume und Hebungen hinweg erhalten geblieben war. Die Gipfel der Dolomiten waren Kalkgestein, das durch die Aktivität der Korallen gebildet worden war. Zwischen den früheren Atollen lagen große Ozeanbecken, in denen sich Ton, Schlamm und Ascheschichten von sporadischen Vulkanausbrüchen ablagerten. Der Kontakt zwischen dem Riff und den Beckensedimenten bestand aus einer Verzahnung von Riffschutt mit den feinen Beckensedimenten. 

Abb.2. & 3. Das so genannte "Richthofen-Riff" (Trias) in den Südtiroler Dolomiten zeigt die Schuttzungen von den Abhängen des ehemalige Riffkerns die mit braunen Sand- und Tonsteinen des ehemaligen Ozeanbecken verzahnen - darunter Zeichnung des Aufschluss von MOJSISOVICS 1879.

Richthofen, und vor allem der Geologe Edmund Mojsisovics von Mojsvar (1833-1905), konnten so auch rätselhafte, riesige Blöcke, die in den Ton- und Sandsteinen der Wengen- und St. Kassian-Fm. gefunden wurden, einleuchtend erklären. Es handelte sich um Blöcke die von den Abhängen des Riffs in die Becken gestürzt waren, und dort einsedimentierten. 

Abb.4. Massive Kalksteinblöcke die in den geschichteten Sand- und Tonsteinen der Wengen-Fm. eingebettet sind.

Literatur:
 
DARWIN, C. (1898): The Structure and Distribution of Coral Reefs. 3th edition, D. Appleton & Co., New York: 214

DOBBS, D. (2005) Reef Madness: Charles Darwin, Alexander Agassiz and the meaning of coral. Pantheon Books: New York
FISCHER, A.G. & GARRISON, R.E. (2009): The role of the Mediterranean region in the development of sedimentary geology: a historical overview. Sedimentology 56: 3-41

MOJSISOVIC, E.v. (1879): Die Dolomit-Riffe von Südtirol und Venetien: Beiträge zur Bildungsgeschichte der Alpen. Alfred Hölder, Vienna: 551

SCHLAGER, W. & KEIM, L. (2009): Carbonate platforms in the Dolomites area of the Southern Alps - historic perspectives on progress in sedimentology. Sedimentology 56: 191-204

 

Das Geheimnis der Dolomiten

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Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"The Mysterious Microbial Origin of Mountains

Die Landschaft der Dolomiten wird durch eine Mineral- bzw. Gesteinsart geprägt, die den "Bleichen Berge" auch ihren Namen  verdanken: Dolomit. Dolomit ist ein wichtiges Mineral und Gesteinsart - Gebirge wie die Alpen, der Apennin und die Dinariden verdanken diesen Mg- haltigen Karbonatgestein ihre karge Schönheit. Die charakteristischen Steilwände einige der bekanntesten Gipfel werden von der Hauptdolomit-Formation gebildet - 1876 in die Alpenstratigraphie eingeführt. Es handelt sich um eine bis zu 1.000 m mächtige zyklische Abfolge von Dolomitgestein-bänken, die in Flachwasserbereich einer ausgedehnten Karbonatplattform der Tethys abgelagert wurden. 

Abb.1. Die Hauptdolomit-Formation am Hl. Kreuz Kofel (2.907m) im Gadertal zeigt die typische Bankung dieser bis zu 1.000m mächtigen Formation.

Es mag überraschen dass die Genese dieses Gesteins noch heute nicht völlig geklärt ist. Der italienische Bergbauingenieur Giovanni Arduino, einer der ersten Gelehrten der Dolomit chemisch untersuchte, vermutete in 1779 dass Dolomit durch die Umwandlung von normalen Kalkgestein durch heiße, vulkanische Lösungen entstanden war. Eine Hypothese die bis zum 19 Jahrhundert sehr beliebt war, da tatsächlich in den Dolomiten zahlreiche vulkanische Ablagerungen und Intrusionen zu finden sind - allerdings nicht immer in Kontakt mit Dolomitgestein. Eine ähnliche Arbeitshypothese vermutete eine Umwandlung durch Mg-gesättigtes Grundwasser - allerdings überrascht auch hier die schiere Masse die einige Dolomitformationen erreichen - schwierig ihre Genese rein durch sekundäre Umwandlungen zu erklären. 
Der amerikanische Geologe James Dwight Dana (1813-1895) bemerkte während eine Forschungsreise in den Südpazifik, dass Dolomit in trockengefallene Korallenstöcke gefunden werden konnte. Eine wichtige Beobachtung, die zeigte dass Dolomit unter normalen Temperaturen und aus Seewasser abgeschieden werden kann. 
Der russische Mikrobiologe Georgi A. Nadson veröffentlichte 1903* eine Studie, in der er eine weiteres wichtige Detail veröffentlichte. In einer Bakterienkultur beobachtete er in Salzwasser eine Ausfällung von primärem Dolomit. 

Abb.2. Lamination der Hauptdolomit-Formation.

Die Hauptdolomitformation wird nicht nur aus Meter-mächtigen Zyklen aufgebaut, sondern zeigt auch im Zentimeterbereich eine unregelmäßige Lamination. Vergleich mit modernen, ähnlichen Ablagerungsbereichen - z.B. die Karbonatplattform der Bahamas - lassen darauf schließen, dass es sich um fossile Bakterienmatten handelt. Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass Bakterien, Algen und Mikroorganismen im Allgemeinen eine wichtige Rolle in der Bildung des Hauptdolomits spielten. Innerhalb der Bakterienmatten herrschen anscheinend Bedingungen, die die Bildung von Kristallen von Mg- haltigem Aragonit und Dolomit begünstigen. Die genauen chemischen und physikalischen Bedingungen die die Ausfällung von Dolomit ermöglichen sind allerdings noch unklar.

Die Hauptdolomit-Formation lagerte sich innerhalb 13 Millionen Jahre ab, mehr als 1.000 Meter an Dolomitschlamm. In modernen Ablagerungsräumen ist Dolomit trotz mikrobieller Aktivität auf einige wenige salzige Lagunen beschränkt. Trotz der oberflächlichen Ähnlichkeiten in den Ablagerungsräumen gibt es doch anscheinend entscheidende (mikrobielle - chemische?) Unterschiede - die Entstehung von großräumigen Dolomitablagerungen bleibt weiter rätselhaft.

Die Geologie der Dolomiten - allen voran die topographischen Höhen die durch die erosionsbeständigen Dolomit-Formationen gebildet wurde - spielte auch im I. Weltkrieg eine entscheidende Rolle. Der Lagazuoi besteht aus dem Cassianer - Dolomit.

 

*(1903 "Die Mikroorganismen als geologische Faktoren"& 1928 "Beitrag zur Kenntnis der bakteriogene Kalkablagerungen")

Mars – die zweite Erde?

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Mars - eine fremde Welt, die doch bei genauerer Betrachtung anscheinend überraschende Gemeinsamkeiten mit der Erde aufweist - angefangen bei der Rotation, die durch den britischen Astronomen William Herschel aufgrund Beobachtungen in den Jahren 1777-1783 auf 24 Stunden 39 Minuten und 21,67 Sekunden festgelegt wurde.

Erst 1638 wurden erste, vorläufige Zeichnungen der Marsoberfläche dank verbesserter Fernrohre möglich. Die ersten wissenschaftlich brauchbaren Karten wurden 1645 vom niederländischen Astronomen Christiaan Huygens hergestellt - eine große dunkle Fläche die fast den gesamten Planeten einnahm bezeichnete er als "Sanduhrmeer". Es war dann wiederum William Herschel der zwei weiße Flecke an den Polen als Eiskappen deutete, die im Laufe des Jahres größer und kleiner wurden. Es schien dass auf den Mars unterschiedliche Jahreszeiten herrschen und dass die polaren Eiskappen je nach Jahreszeit anwuchsen oder schrumpften. 
Im 19. Jahrhundert waren die Fernrohre soweit entwickelt, dass immer genauere Karten von Mars veröffentlicht wurden - der französische Astronom Camille Flammarion wertete mehr als 2.600 Marszeichnungen aus um 1876 eine besonders detaillierte Karte zu veröffentlichen. Flammarion zählte 2 Ozean, 22 Meere und 4 große Kanäle die 5 große Kontinente voneinander trennten. Laut Flammarion war der Mars der Erde so ähnlich, dass ein zufälliger Besucher keine großen Unterschiede zwischen den zwei Planeten bemerken würde.

"Bäche, die in ihrem von der Sonne vergoldeten Kieselbett davoneilen; Flüsse, welche die Ebenen durchziehen oder im Grunde der Täler als Wasserfälle rauschen; Ströme, die langsam durch weite Landschaften der Meere zueilen."

Abb.1. Eine Mars-Karte aus FLAMMARION (1884): "Les terres du Ciel"

Eines der berühmtesten Kapitel in der Erforschung des Mars wurde vom Mailänder Astronomen Giovanni Virgino Schiaparelli (1835-1910) verfasst. 1859 hatte der italienische Astronom und Jesuitenpater Angelo Secchi reguläre Strukturen auf den Mars beschrieben, die er "canali" nannte - eine etwas zweideutige Bezeichnung die zwar künstliche Kanäle meinen kann, aber auch auf einfache enge Flussläufe oder Rinnen zutrifft. Schiaparelli übernahm diese Bezeichnung, allerdings legt er sich nicht wirklich fest ob sie künstlicher oder natürlicher Natur sind und beschreibt die Formen auf den Mars zunächst schlichtweg. Er fasst sie als Furchen oder Niederungen auf, durch denen Wasser in die verschiedenen Meer strömen konnte bzw. von den Eiskappen an den Polen zum Äquator gelangt, er bemerkt am Ende:

"Es ist nicht notwendig, anzunehmen, dass es das Werk intelligenter Wesen sei; und trotz des geometrischen Aussehens dieses ganzen Systems sind wir geneigt zu glauben, dass es in der Evolution des Planeten entstanden ist, genauso wie auf Erden der Ärmelkanal oder der vom Mozambique."

Schiaparelli beobachtete als einer der Ersten eine anscheinende Verdoppelung der Marskanäle zu bestimmten Zeiten (eine Beobachtung, die wie er selbst zugab, nicht jeder nachvollziehen konnte). Er vermutete dass es sich dabei um Überschwemmungsgebiete handelte, die durch die Schneeschmelze an den Polen überschwemmt wurden.

Schiaparelli war der Annahme dass der Mars bewohnbar (oder sogar bewohnt war) nicht gänzlich abgetan - eine Möglichkeit die damals nicht nur als möglich, sondern sogar als wahrscheinlich galt. 
Im Jahre 1895 veröffentlichte er schließlich einen Artikel - "Das Leben auf dem Mars" - in dem er offen über diese Möglichkeit spekulierte (allerdings nahm er seine eigenen Spekulationen nicht allzu ernst). Er ging sogar so weit die Gesellschaftsstruktur der Marsianer aufgrund der Bauweise der Marskanäle zu beschreiben. Die anscheinende Verdoppelung bzw. die breiter werdenden Marskanäle waren gewaltige Bewässerungssysteme, die nicht nur eine entsprechend entwickelte Technologie, sondern auch eine globale (und daher sozialistische) Regierung die ein solches Mammutwerk kontrollieren konnte, voraussetzte.

Abb.2. Die berühmt-berüchtigten Mars-Kanäle laut Schiaparelli, aus FLAMMARION 1881.

Der Amerikaner Percival Lowell war einer der größten Verfechter der Hypothese von Mars als bewohnter Planet bzw. des Kampfes seiner Bewohner gegen die herrschende Dürre auf den Mars. Ein Kollege von Lowell - William Henry Pickering - stellte richtigerweise fest, dass die dunklen Gebiete auf den Mars keine Meere sein können, da sie keine Reflektion wie Wasser zeigten und auf verschiedenen Ebenen lagen. Pickering vertrat die Meinung, dass es sich um eine Art von Vegetation handelte.
Die periodischen Veränderungen ließen vermuten, dass diese Vegetation zu bestimmten Zeiten abstarb und später nachwuchs - die Marsianer - so Lowell - versuchten die Vegetationsperiode zu verlängern, indem sie mittels einem ausgeklügelten Kanalsystem Wasser über den Planeten verteilten.

"Die Austrocknung des Planeten schreitet mit Sicherheit so weit fort, bis überall auf seiner Oberfläche kein Leben mehr aufrechterhalten bleibt. Langsam, aber sicher wird es mit der Zeit ausgelöscht werden. Wenn der letzte Funken auf dieser Weise erstickt ist, wird der Planet als eine tote Welt durch den Weltraum rollen und seine evolutionäre Laufbahn wird für immer beendet sein."

All diese Spekulation beruhten auf die Beobachtungen, die von der Erde aus gemacht worden waren - selbst die größten und besten Teleskope konnten allerdings nur verschwommene Bilder liefern. Auf den Mars waren große Veränderungen der Oberfläche sichtbar, es schien möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass es sich um biologische Aktivität handeln könnte. Theoretische Gegenbeweise, wie von Alfred Russel Wallace der nachwies dass es auf den Mars viel zu kalt für flüssiges Wasser war, hatten es schwer mit den  unheimlich-geheimnisvollen Karten und Abbildungen, die von Mars veröffentlicht wurden, mitzuhalten.

Erst 1964 sollte eine Sonde die ersten Nahaufnahmen vom Mars senden, ein Moment der unser Bild von Mars für immer verändern sollte…

Literatur:

BASALLA, G. (2006): Civilized Life in the Universe: Scientists on Intelligent Extraterrestrials. Oxford University Press: 233
OESER, E. (2009): Die Suche nach der zweiten Erde - Illusion und Wirklichkeit der Weltraumforschung. Wissenschaftliche Buchgesellschft-Darmstadt: 208

Berge des Wahnsinns

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"Berge des Wahnsinns" ist eine Horror/Science-Fiction Fortsetzungsgeschichte die 1936 zum ersten Mal in der Zeitschrift "Astounding Stories" veröffentlicht wurde. Geschrieben wurde die Novelle bereits fünf Jahre vorher vom Gelegenheitsautor H.P. Lovecraft  (der just am 20. August 1890 geboren wurde).
Die Handlung: Um etwa 1930 ist Geologe William Dyer einer der wenigen Überlebenden einer gescheiterten biologisch-geologisch Expedition zum Südpol. Zunächst höchst erfolgreich, entdeckt ein kleiner Spähtrupp  der Expedition eine Gebirgsdecke gewaltiger Ausmaße, bei weitem höher als der Himalaya, mitten in der Eiswüste des antarktischen Kontinents - regelrechte Berge des Wahnsinns. Rasch wird ein provisorisches Lager aufgestellt, wobei noch bemerkenswertere Entdeckungen gemacht werden - in einer Höhle werden Fossilien unbekannter Herkunft udn Alters ausgegraben. Doch bei einem Schneesturm geht der Kontakt zum Spähtrupp verloren.  William Dyer erreicht das Basiscamp, findet aber nur Verwüstung und Tod vor - die Suche nach was dort gewütet hat, führt ihn jenseits den Bergen des Wahnsinns…

Lovecraft war von kränklicher Natur, so dass er nicht die reguläre Schule besuchen konnte und trotz Liebe zur Wissenschaft ihm ein Universitätsstudium verwehrt blieb, allerdings konnte er auf eine reiche Buchsammlung zurückgreifen - besonders beschäftigte er sich mit Astronomie und Geologie.
Als einer der ersten Autoren der klassische Gruselgeschichten des 18/19 Jahrhunderts mit Elementen der Science-Fiction des 20 Jahrhunderts verband, legte Lovecraft wert darauf, dass sein fiktiven Protagonisten mit den neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft zu seiner Zeit vertraut waren. So "zitiert"Dyer in "Berge des Wahnsinns" mehrmals die Richard Evelyn Byrd-Expedition, die in den Jahren 1928-1930 geologische Untersuchungen in der Antarktis durchführte. Die letzten weißen (Küsten-)Flecken der Antarktis waren erst 1929-1931 von einer Britisch-Australischen-Neuseeländischen Expedition kartiert worden, große Teile des Inneren - wie auch die Geologie und Paläontologie - des Kontinents waren aber noch unbekannt. Erste Fossilien (versteinertes Holz) waren in den Jahren 1892-1893 auf Seymour Island durch eine Norwegische Expedition gesammelt worden. Der erste Geologe in der Antarktis war der Schwede Otto Nordenskjöld, der zwischen 1902-1903 Pflanzenfossilien des Jura entdeckte und auch um einige Millionen Jahre jüngere Pinguinfossilien. Die Pflanzenfossilien überzeugten Nordenskjöld davon, dass in der Antarktis einst ein tropisches Klima geherrscht hatte.
Auch Lovecraft beschreibt die Entdeckung von Pflanzenfossilien und stellt fest, dass die Berge des Wahnsinns nicht immer eisbedeckt gewesen sein konnten. Lovecraft beschreibt auch Tierfossilien, darunter Archaeocyathiden - schwamm-ähnliche Organismen des Kambriums (500 Millionen Jahre alt). Für Lovecraft waren diese Fossilien, die in der Geschichte teilweise sehr detailliert beschrieben werden, ein wesentlicher Teil seines Horrorromans  - sie sollten dem Leser den Abgrund der Zeit, dem er gegenüberstand, verdeutlichen. Genau aus diesem Abgrund war aber etwas zu uns gekommen - etwas tödliches - das selbst Dyer/Lovecraft nur ansatzweise zu nennen wagt -"die großen Alten"!

Lovecraft war auch sehr an der - zu seiner Zeit heftig diskutieren - Kontinentaldrift interessiert. Er war über die neusten Entwicklungen informiert und scheint gegenüber dieser Theorie sehr aufgeschlossen gewesen zu sein. So schreibt er in "Berge des Wahnsinns" wörtlich, als Dyer in einer toten Stadt eine unheimliche Karte der frühen Erde entdeckt:

"Eine andere Karte zeigt eine riesige, trockene Landmasse um den Südpol herum…[]… Spätere Karten, auf denen zu sehen ist wie die Landmasse zerbricht und auseinanderdriftet, und einzelne ihrer abgelösten Teile nach Norden wandern, bestätigen in verblüffender Weise die Theorien der Kontinentalverschiebung, die in jüngster Zeit von Taylor, Wegener und Joly aufgestellt wurden"

Literatur:

LONG, J. (2003): Mountains of Madness – A Scientist’s Odyssey in Antarctica. Jospeh Henry Press, Washington: 252

Der Bergsturz von Goldau

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"und wer hingegen mit eigensten Augen den grauenvollen Schauplatz durchwandelt hat, der wird jede Schilderung zu schwach, und weit unter ihrer Wirklichkeit finden wollen. Um wahre Begriffe von der Wirkung dieses Natur und Menschen tödten Sturzes zu erhalten, und [] beurteilen zu können, muss wahrlich die Unglücksstätte selbst betreten, und dann noch mit streng beobachtenden Blick durchforscht werden."
Karl Zay"Schuttbuch" (1807)

Der Bergsturz von Goldau ereignete sich am 2. September 1806, vom 1.574m hohen Rossberg löste sich eine bis zu 70m mächtige Scholle, die das Dorf Goldau unter sich begrub und im Lauerzersee eine Flutwelle auslöste, die weitere Menschen tötete. Die genaue Anzahl der Opfer ist unbekannt, gemäß historischen Quellen geht man heutzutage von über 450 Opfern aus.

  
Abb.1. Landschaftsbild des Malers Xaver Triner (1767-1824)  mit der Abbruchnische am Rossberg und das verschüttete Goldau.

Der Bergsturz von Goldau ist für die Geschichte der Geologie dahingegen interessant, als dass es sich um einen der ersten Bergstürze handelt, der "naturwissenschaftlich" untersucht wurde. Der örtlicheArzt Karl Zay beobachtete den Bergsturz, sammelte nach der Katastrophe Augenzeugenberichte und veröffentlichte sie in dem Werk "Goldau und seine Gegend, wie sie war und wie sie geworden, in Zeichnungen und Beschreibungen" (1807, diese Werk wird oft auch als "Schuttbuch" bezeichnet). Durch diese Werk und Zeitungsberichte wurde der Bergsturz weit über die Landesgrenzen der Schweiz hinaus bekannt und zahlreiche Geologen besuchten die Gegend.
Bergstürze - Massenbewegungen mit einem Volumen über 1 Million Kubikmeter - wurden lange Zeit als göttliche Bestrafung angesehen. Nachdem ein Bergsturz im Jahre 1618 das Schweizer Dorf Plurs verschüttet hatte, kamen Gerüchte im Umlauf die die Bewohner von Plurs als korrupt darstellten und das Dorf als "ein irdisches Paradies von Laster gekennzeichnet" nennen. Alternativ wurde vorgeschlagen das vulkanische Aktivität oder Erdbeben einen Bergsturz auslösen könnten. Erst um 1834 entwickelte der Gelehrte Karl Ernst Adolf von Hoff eine Arbeitshypothese, die Bergstürze als Ergebnisse von vorbereitenden Faktoren (z.B. tektonischer Struktur, Schichtengefüge) und auslösender Faktoren (Wasserinfiltration in Klüften) behandelte.

 
Abb.2. Längsprofil des Goldauer Bergsturzes nach Heim, A."Über Bergstürze" (1882).

Literatur:

BOLLINGER, D. (2006): Der Bergsturz von Goldau: Rückblick und Ausblick. Bull. angew. geol. Vol. 11(2): 3-12
BUSSMANN, F. & ANSELMETTI, F.S. (2010): Rossberg landslide history and flood chronology as recorded in Lake Lauerz sediments (Central Switzerland). Swiss J. Geosci. 103: 43-59
EVANS, S.G. & DeGRAFF, J.V. (2002): Catastrophic Landslides: Effects, Occurrence, and Mechanisms. Reviews in Engineering Geology Vol. XV, The Geological Society of America: 411
FLÜELER, E. (2011): Berge entstehen - Berge vergehen: Wanderungen zu Bergstürzen entlang der Alpen. Ott Verlag: 208
HÖFLER, H. & WITT, G. (2010): Katastrophen am Berg – Tragödien der Alpingeschichte. Bruckmann Verlag: 144
THURO, K., BERNER, C. & EBERHARDT, E. (2005): Der Bergsturz von Goldau 1806 – Versagensmechanismen in wechsellagernden Konglomeraten und Mergeln. In: Moser, M. (ed): Veröffentlichungen von der 15. Tagung Ingenieurgeologie, 6-9. April 2005, Erlangen: 303-308
THURO, K. & HATEM, M. (2010): The 1806 Goldau landslide event – analysis of a large rock slide. Williams (ed.): Geologically Active. Taylor & Francis, London: 3693-3700

Die Flutwelle von Vajont

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Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"October 9, 1963: Vajont"  

Am späten Abend des 9. Oktober 1963 löste sich vom Abhang des Monte Toc ein Gesteinsscholle mit mehr als 250.000.000 Kubikmeter Volumen - der darunter liegende Stausee wurde mit mehr als 400m Material aufgefüllt, das plötzlich verdrängte Wasser verursachte eine über 200m hohe Flutwelle die mehr als 2.000 Menschen tötete. 

Feuer und Wasser

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Bereits im 18. Jahrhundert war das italienischeFassatal bekannt für seine Mineralstufen, die in zahlreiche Kuriositätenkabinette der Zeit bewundert werden konnten. Die erste wissenschaftliche Monographie wurde allerdings erst 1811 vom italienischen Geologen Gian Battista Brocchi (1772-1826) veröffentlicht. "Memoria mineralogica sulla Valle di Fassa. - ...mineralogische Abhandlung über das Thal von Fassa in Tirol..." wurde ein großer Erfolg und unter anderem ins Deutsche und Französische übersetzt. 

Abb.1. Beim Fassait handelt es sich um ein kontaktmetamorphe Diopsid-Varietät, die in den Kontaktaureole der Intrusionen des Monzoni-Komplex gefunden werden kann.
 
Doch das Fassatal sollte bald darauf für eine geologische Unmöglichkeit berühmt-berüchtigt werden. In 1820 beschrieb der Geologe Graf Giuseppe Marzari-Pencati (1779-1836) die stratigraphischen Verhältnisse des Tales - dabei entdeckte er an der Lokalität "Canzoccoli", oberhalb des Dorfes Predazzo, das Kalkstein neben Granit (eigentlich ein Monzonit-Syenit) auftrat.

Abb.2. und 3. Die Lokalität "Canzoccoli" von Predazzo aus gesehen und eine geologische Skizze um 1846. Der Syenit (rechts) steht in engen Kontakt mit dem Kalkstein (links) und wird von letzteren über- wie auch unterlagert (Carta Geologica Foglio 22 "Feltre")
  
Dies war nach der damaligen vorherrschenden Lehre des Neptunismus unmöglich, der alle Gesteine als Absatzgesteine eines "Urmeeres" interpretierte und Granit als ältestes Gestein lange vor Kalkstein ausgefällt worden sein musste.

Die dominierende Rolle des Neptunismus im Mitteleuropa des 19. Jahrhunderts wird oft auf die "dogmatische" Lehre des Inspektors der Bergakademie, Abraham Gottlob Werner (1749-1817), zurückgeführt. Tatsächlich beeinflusste Werner eine ganze Geologengeneration (seine Schüler umfassten unter anderem Leopold von Buch und Alexander von Humboldt), allerdings fußte seine Hypothese auch auf genaue (leider aber auch beschränkte) Naturbetrachtung und erschien den meisten Gelehrten der damaligen Zeit als schlüssig. In seinem Werk "Kurze Klassifikation und Beschreibung der verschiedenen Gesteinsarten" (1787) erarbeitet er ein Klassifikationsschema für Gesteine, das hauptsächlich von ihrer Schichtabfolge und Lagerung ausging, und dabei auch vermutetes Alter und Bildungsbedingungen berücksichtigte.


Abb.4. Darstellung durch den Künstler Johannes Kentmann der Basaltsäulen des Burgberges von Stolpen (Lausitz-Sachsen) im Werk "De omni rerum fossilium genere,...()" (1565) von Konrad Gesner. Dieser Aufschluss wurde bereits 1520 erwähnt, als Carolus von Miltitz ein Handstück des Basalts nebst einen Begleitbrief an Friedrich den Weisen sandte. 1546 nutzt Georgus Agricola in seinem "De Natura Fossilium" den Namen "Basalt" zum ersten mal für diesen Aufschluss und ersetzt damit den älteren Begriff  - eingeührt von Plinius - "Basanit".
Die Darstellung der Basaltsäulen als Kristalle macht deutlich, dass die Idee der Neptunisten von Gesteinen, als Produkte ausgefällt von Wasser, eine lange Tradition hatte.

Nach Werner konnte die Schichtabfolge im Gelände durch einen ehemaligen Weltozean erklärt werden. Nach der Bildung der Erde aus einem kosmischen Nebel formte sich ein fester Kern, der von einer Hülle einer wässrigen Lösung umgeben war. Aus dieser Lösung fällten sich nach und nach Kristalle aus, die absedimentierten und die verschiedenen Gesteinsarten bildete - zuerst Granit, der zumeist ganz unten anzutreffen ist, gefolgt von Gneis, Schiefer, Basalt und schließlich Kalkstein und andere "Sedimentgesteine" Als beispielhaftes Profil beschrieb er 1788 in "Bekanntmachungen einer von ihm am Scheibenberger Hügel (eine Lokalität im Erzgebirge - Sachsen) über die Entstehung des Basalts gemachte Entdeckung" eine Abfolge von horizontalen Schichten aus tertiären Sanden, Tongesteine, Konglomerate, Hyaloklastite ("Peperit") und Basaltdecken. Werner vermutete, dass diese horizontale Abfolge weltweit Gültigkeit hatte -  und auch die "symmetrische" Lagerung der Alpen sollte damit erklärbar sein.

Weiters waren aktive Vulkane in Europa nur von Süditalien bekannt - deren Eruptionen zwar spektakulär, aber Auswirkungen und Ablagerungen räumlich stark beschränkt waren. Flutbasalte und große Intrusionen, z.B. wie sie in Island auftreten, waren den meisten Gelehrten der damaligen Zeit noch weitgehend unbekannt. Tatsächlich stimmten die meisten Geologen der damaligen Zeit Werner zu - Magmatische Aktivität war zu schwach, um die großräumigen Landschaften der Erdkruste zu erklären.


Giuseppe Marzari-Pencati war ein typischer Naturalist seiner Zeit, der sich zunächst mit Botanik befasste und nach ausgedehnten Reisen in ganz Europa (unter anderem Süditalien mit seinen Vulkanen) um 1802 der Geologie zuwandte. Als Aufseher für die Österreich-Ungarische Monarchie verschlug es ihn um 1806 in die Bergbaugebiete des damaligen Tirols. Vielleicht beeinflusst von seiner Erfahrung mit Vulkanen, war er überzeugt davon das magmatischer Aktivität eine bedeutende Rolle in der Genese von Gesteinen zukommen musste.
Um 1820 publizierte er einen Artikel im "Nuovo Osservatore Veneziano"über die Lokalität "Canzoccoli", wo er das gleichzeitige Auftreten eines kristallinen Syenits (auch als Monzonit bezeichnet) neben einem weißen, homogenen Kalkstein - als "Predazzite" bezeichnet -beschrieb.

Abb.6. Handstücke von "Predazzite", eigentlich ein kontaktmetamorpher Kalk-Marmor.

Pencati behauptete, dass Predazzit eigentlichkeine eigene Gesteinsart, sondern ein durch hohe Temperaturen umkristallisierter Kalkstein war - dies bedeutet nicht nur das der Kalkstein vor dem Eindringen des geschmolzenen Syenit bereits vorhanden gewesen sein musste (also älter als der Syenit war), sondern das Ausfällung aus einer Lösung bei der Bildung dieser Gesteine keine Rolle gespielt hatte. 
Zwei Jahre später besuchte Leopold von Buch Predazzo um eine neptunistische Erklärung für die ungewöhnlichen Lagerungsverhältnisse zu finden. Er schlug zunächst einen Bergrutsch vor, der die ursprünglichen horizontalen Schichtungen verstellt und verfälscht hatte, allerdings waren die Gesteine ungestört und der Übergang von Syenitzu Kalkstein war keine scharfe Grenze, sondern ein Übergang mit einer ausgeprägten Kontaktaureole (der metamorphe Predazzit).

Abb.7. Zahlreiche Geologen besuchten das Dorf Predazzo um die geologischen Verhältnisse von plutonischen und sedimentären Gesteinen mit eigenen Augen zu sehen.

Die Idee einer magmatischen Genese der Gesteine war nicht neu. 1788 schlug der Schottische Geologe James Hutton vor, dass magmatische Gesteine in geschmolzenen Zustand in die Erdkruste eindrangen und kristalline Schiefer durch Erdwärme umgewandelte ehemalige Sedimentgesteine waren. Charles Lyell übernahm diese Hypothese in seinem einflussreichen Werk "Principles of Geology" (Erstausgabe 1830-33). Allerdings sollte der Streit ob Magma die einzigen Quelle von Gesteinen sein kann bis weit nach 1890 dauern.

Abb.8. und 9. Magmatische Gänge ("Serpentinit") durchschlagen "umgewandelten Kalkstein" der in Kontakt zu einer Intrusion von "Granit" liegt (aus "Geo-Mineralogische Skizzen über einige Täler Tirols", 1848). Diese Aufschluss-Skizze (und realer Aufschluss) beweißt verschiedene Alter und Phasen der Gesteinsbildung - von sedimentärem Riffkalkstein zu kleinräumigen ladinischen Basalt-Gängen und groß-maßstäblichen Granit-Intrusionen des Monzoni-Komplex (228-237 Millionen Jahre alt).

Literatur:

AVANZINI, M. & WACHTLER, M. (1999): Dolomiti La storia di una scoperta. Athesia - Bolzano: 150
DELLANTONIO, E. (1996): Geologia delle Valli di Fiemme e Fassa. Museo Civico Geologia e Etnografia - Predazzo: 72

LOOK, E.-R. & FELDMANN, L. (Hrsg.)(2006): Faszination Geologie – Die bedeutendsten Geotope Deutschlands. E. Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart: 179
WAGENBRETH, O.(1999): Geschichte der Geologie Deutschland. Georg Thieme Verlag: 264

Löss-Geolog(i)e

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In April 1834 stellte der Britische Geologe Charles Lyell seine Untersuchung über eigenartige lehmige Sedimente, die im Rheintal verbreitet waren und allgemein als "Löss" bezeichnet waren, vor. Die Bezeichnung Löss wurde das erste Mal vom Geologen Karl Cäsar von Leonhard (1779-1862) in 1823-24 benutzt um einen bräunlichen Silt in der Gegend von Heidelberg zu beschreiben. Die Entstehung dieses eigenartigen Sediments war kontrovers diskutiert von den Geologen der damaligen Zeit. 

Ganz im Geiste des Aktualismus, den Lyell vertrat, schlug er vor das der fossile Löss - ähnlich wie die rezenten Auensedimente im Rheintal - von Wasserströmungen sortiert und abgelagert worden war.
Diese Interpretation schienen Fossilien von Süßwasserschnecken, die er  1845 während einer Reise in den  Vereinigten Staaten von Amerika im Mündungsgebiet des Mississippi bemerkte, zu bestätigen. Außerdem fand er im amerikanischen Löss Knochen von Eiszeittieren, damit schien zumindest das "Post-Pliozäne" (Eiszeit) - Alter dieser Sedimente  bestätigt.
 
Eine der ersten Karten die Löss-Ablagerungen darstellte wurde zwischen den Jahren 1850-1865 aufgenommen. 

Abb.1. Die "Geologische Übersichtskarte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie" (1867-1871). Löss (teilweise als nicht gnauer definierter "Lehm" eingezeichnet) Ablagerungen sind in gelb und hellgrünen Tönen ausgehalten.

Das damalige Kaiserreich der Habsburger umfasste große Teile Mitteleuropas und es lag im Interesse der zentralen Regierung die Verbreitung von Rohstoffe zu kenne - trotz der Tatsache das Pleistozäne Sedimente nicht Schwerpunkt waren, wurden diese dennoch relativ genau kartiert.

Franz von Hauer (1822-1899) war ausgebildeter Geologe der eine Zeitlang als Bergbauingenieur gearbeitet hatte, aber ab 1846 als wissenschaftlicher Berater des Kaiser- und königliches montanistisches Museum rasch Karriere machte (er war eines der Mitglieder die den Geologischen Dienst begründeten).
Die großmaßstäbliche Kartierung des Habsburger Kaiserreichs wurde vom Direktor des Geologischen dienst Wilhelm von Haidinger (1795-1871) initiiert und Hauer führte die Arbeiten nach 1866 weiter. Um die Kartierung zu vereinheitlichen publizierte Hauer in 1875 den Leitfaden "Die Geologie und ihre Anwendung auf die Kenntnis der Bodenbeschafftenheit der österr-ungar. Monarchie" in dem er Löss als fruchtbaren Boden pries. 
Die geologische Karte die 1867 schließlich veröffentlicht wurde war eine der genauesten bis dahin, 102 geologische Formationen wurden unterschieden (frühere Karten umfassten gerade mal 22 Farben) und eine die die Verbreitung von Löss am genauesten darstellte. Andere Quartär-Einheiten umfassen interessanterweise die Pleistozänen "Diluviale Schotter und Sand" und Löss, die Alluvialen (heute Holozän) Formationen umfassten "Torf", "Kalktuff", "Flugsand" und "Alluvium" - die Bezeichnung Diluvium-Alluvium stammen noch aus einer Zeit als eine "globalen Flut" noch als geologische Möglichkeit angesehen wurde (wobei die klassische Eiszeit-Theorie um diese Sedimente zu erlären erst in jenen Jahrzehntene allgemen diskutiert und akzeptiert wurde).

Zur Genese von Löss orientiert sich Hauer an Lyell´s Interpretation - zumindest das Ausgangsmaterial von Löss ist limnischer Natur, wobei fluviatile oder äolische Umlagerung sicher stattgefunden hat.

Erst mit den Geologen P.T. Virlet d´Aoust (1800-1894) in 1857 und vor allem mit der Beschreibung der gewaltigen Löss-Ebenen in China Seitens von Ferdinand von Richthofen wurde eine (rein) äolische Genese von Löss als geologisch möglich akzeptiert. Von 1868 bis 1872 hatte Richthofen sieben Reisen durch China und umliegende Länder unternommen und veröffentlichte seine geologisch-geographischen Beobachtungen unter dem Titel "Ferdinand von Richthofen´s Tagebücher aus China" in 1877.

Abb.2. Moderne Karte der Lössablagerungen in Europa, nach HAASE et al. 2007.

Abb.3. Sahara-Staub verdeckt den Alpenhauptkamm (Aufnahme am  4 August), Feinstaub wurde dabei von einer Schönwetterfront von der Sahara über das gesamte Mittelmeer transportiert - die mächtigen fossilen Staub/Lössablagerungen in Europa sind immer noch ein (kleines) geologisches Rätsel - solche mächtigen Ablagerungen lassen sich nur durch die Annahme von großen Abrasionsflächen (Eiszeit-Tundra ?) erklären, von wo Windsyteme kontinuierlich Sedimente aufnehmen  und neu umlagern konnten.
 
Literatur:

DOTT, R.H. (1998): Charles Lyell´s debt to North America: his lectures and travels from 1841 to 1853. In: BLUNDELL & SCOTT (eds) Lyell: the Past is the Key to the Present. Geological Society, London, Special Publications: 143: 53-69
FRECHEN, M. (2011): Loess in Europe. Quaternary Science Journal. Vol. 60(1): 3-5
GAUDENYI, T. & JOVANOVIC, M. (2011): franz Ritter von Hauer's work and one of the first loess map of Central Europe. Quaternary International 234: 4-9
HAASE,D.; FINK,J.; HAASE, G.; RUSKE, R.; PECSI, M.; RICHTER, H.; ALTERMANN, M. & JÄGER, K.D. (2007): Loess in Europe - its spatial distribution based on a European loess Map, scale 1:2,500,000. Quaternary Science Reviews 26: 1301-1312

Mohs Härteskala

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Talk - Gips - Calcit - Fluorit - Apatit - Feldspat - Quarz - Topas - Korund - Diamant, eine Reihenfolge die den meisten Studenten der Erdwissenschaften geläufig sein sollte, gehört sie doch zur Grundausstattung unbekannte Minerale dank ihrer relativen Härte (Talk als das weichste, Diamant als das härteste natürliche Mineral) zu bestimmen.
 
Entwickelt wurde diese Härteskala von Carl Friedrich Christian Mohs, (links, Lithographie von Joseph Kriehuber, 1832) geboren am 29. Januar 1773 in Gernrode (damals Grafschaft Anhalt-Bernburg) in einer gutbürgerlichen Familie. Mit 6 Jahren wurde er eingeschult und beendete seine Klasse als Zweitbester. Eine Zeitlang arbeitete er im väterlichen Betrieb als Kaufmann, Ende April 1796 schrieb er sich jedoch an der Universität Halle  ein, wo er sich für Mathematik, Physik und Chemie begeisterte. Er setzte seine Studien an der Bergakademie Freiberg fort, wo er ein Schüler des berühmten Abraham Gottlob Werner(1749-1817) wurde. Werner, der im Jahre 1787 eine "Kurze Klassifikation und Beschreibung der verschiedenen Gesteinsarten" publiziert hatte, arbeitete an einer Gesteinsbestimmung die - ungewöhnlich für die damalige Zeit - Gesteine und Minerale "aus ihrer aeußerlichen Beschaffenheit leicht zu erkennen, von einander zu unterscheiden, und anderen kenntlich zu machen" identifizieren sollte.
 
Mohs wurde durch den praktischen Ansatz von Werner stark geprägt - so publizierte er in 1804 seine Erfahrungen als Grubenvorarbeiter in den Erzgruben des Harzes als ein Art Leitfaden zur Gesteinsbestimmung, der sich hauptsächlich an Studenten der Geowissenschaften wandte.
In 1802 nahm Mohs einen Auftrag in Wien an, bei dem es um die Neuordnung der Mineraliensammlung des holländischen Bankiers Jacob Friedrich van der Nüll ging. Hier bemerkt er gravierende Mängel in den vorherrschenden Bestimmungsschlüsseln für Mineralien, die zumeist aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung unterschieden wurden. In 1804 publiziert er daher einen eigenen Schlüssel unter dem Titel "Über die oryktognostische Classification nebst Versuchen eines auf blossen äußeren Kennzeichen gegründeten Mineraliensystems."
 
Mohs wandte nicht nur generelle physikalische Eigenschaften (wie Farbe, Dichte und Härte) zur Mineralienbestimmung an, sondern maß der Kristallstruktur eine große Rolle zu - er unterschied 6 "Klassen": rhomboedrische (hexagonal) - pyramidale (tetragonal) - prismatische (orthorhombische) - tessulare (kubische) -monokline - sowie trikline. Mohs unterschied schließlich drei (Haupt)Klassen mit 19 Ordnungen und 183 Spezies von Mineralien.

Abb.2. Quarz-Stufe, Mohs-Härte 7,  trigonal-trapezoedrische Kristallklasse.
 
 Abb.3. Calcit-Stufe, Mohs-Härte 3, trigonale Kristallklasse - zwei klassische Beispiele wo die Härte (bestimmt mittels einer Taschenmesserklinge, Quarz lässt sich nicht ritzen, Calzit dagegen schon) ein wichtiges Unterscheidungskriterium ist.

In 1812, als Professor am Joanneums in Graz, publizierte er einen weitere Leitfaden zur Mineralienbestimmung - er war davon überzeugt dass Mineralogie - als Lehre der eigentlichen Minerale, nicht des Gebirges, wie es die damaligen Geologen verstanden - als eigenständige Wissenschaft bestehen musste. In dieser Zeit erstellte er auch eine vorläufige Härteskala, die er aber nie in dieser ersten Form publizierte. Nach 1818 übernahm Mohs die ehemalige Stelle Werners an der königlich-sächsischen Bergakademie Freiberg.
 
Zwischen 1822-1824 publizierte Mohs schließlich seine endgültige und berühmte Härteskala im Buch "Grund-Riß der Mineralogie". 

Er kombinierte seine Lehrtätigkeit an verschiedenen europäischen Institutionen mit ausgedehnten Reisen - während einer Studienreise zu den italienischen Vulkangebieten im Jahre 1839 verschlechterte sich plötzlich sein Gesundheitszustand. Er verstarb am 29. September in Agordo (Venetien) nach sechswöchiger Krankheit. Er wurde neben dem katholischen Friedhof (Mohs war Protestant) von Agordo begraben, erst 26 Jahre wurden seine sterblichen Überreste nach Wien gebracht (seinen letzten Arbeitsplatz). 1888 wurden die Gebeine abermals exhumiert und vom evangelischen Matzleinsdorfer Friedhof in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof überführt.
 
Literatur:
 
HÖLDER, H. (1989): Kurze Geschichte der Geologie und Paläontologie - Ein Lesebuch. Springer Verlag, Heidlberg: 243
WAGENBRETH, O.(1999): Geschichte der Geologie Deutschland. Georg Thieme Verlag: 264

Die Geheimnisvolle Genese des Granits

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"Im Inneren des Erdballs hausen geheimnisvolle Kräfte, deren Wirkungen an der Oberfläche zutage treten: Als Ausbrüche von Dämpfen, glühenden Schlacken und neuen vulkanischen Gesteinen, als Auftreibungen zu Inseln und zu Bergen."
Alexander von Humboldt

Am Ende des 19 Jahrhunderts, nach dem ide(ge)ologischen Sieg des "Plutonismus", wurde klar das magmatischen Gesteinen aus der  "feurigen Tiefe der Erde" stammen mussten. Allerdings ergab sich jetzt ein neues Problem - die große Gesteinsvarietät - von dunklen "basischen" Basalten zu hellen "sauren" Granitgestein - war schwer mit einer vergleichbaren Varietät im Erdinneren zu erklären.


Abb.1. Beispiel von "Brixner Granit" - links Pegmatitgang mit großen (hier chloritisierten) Glimmerplättchen und derben Quarzaggregat, rechts - typisches Granitgefüge mit kleinen Kristallen von Feldspat, Quarz und Glimmer.

Eine gängige Idee zur damaligen Zeit war, dass sich die verschiedenen magmatischen Gesteine durch Aufschmelzung bereits vorhandener Gesteine bildeten - vor allem die seltsame Zusammensetzung und Verbreitung des Granits (der zumeist auf Kontinenten gefunden wird) schien damit erklärbar. Der französische Geologe P.T. Virlet d´Aoust prägte in 1847 sogar den Begriff "Granitisierung" um diese Denkschule zu charakterisieren. Alle Granit-Varietäten (die sich deutlich von den "basaltischen" Gesteinen des Erdmantels unterscheiden) bildeten sich durch mehr oder weniger starke Aufschmelzung und chemischen Austausch in festem Zustand (Metasomatose) von anderen Gesteinen. Allerdings hatte diese Hypothese zwei große Schwachpunkte:

-    Eine graduelle Diffusion von Elementen zwischen Schmelze und aufzuschmelzendes Gestein konnte nicht die oft scharfe Grenze zwischen Granit und Umgebung erklären.
-    Die benötigten Energiemengen erschienen außerordentlich hoch und die Diffusion im teilweise aufgeschmolzenen oder gar festen Gestein vernachlässigbar klein.

Eine alternative war die "Magmatisierung", die davon ausging das unterschiedliche Schmelzen unterschiedliche Gesteine ausbilden konnten, wobei das erwähnte Problem der "Variabilität" durch unterschiedliche Ansätze überwunden wurde.

Der deutsche Chemiker Robert Wilhelm Bunsen (bekannt durch den "Bunsen-Brenner") schlug in 1851 vor das es grundsätzliche nur zwei Magmatypen auf der Erde gab - den basischen "Pyroxenit" und den sauren "Trachyt", die aus verschiedene Tiefen der Erdkruste aufsteigen. Dabei kann es zu einer Mischung der beiden Magmatypen kommen, die somit auch die restlichen intermediären Lavatypen bilden können ("Über die Processe der vulkanischen Gesteinsbildung Islands").
 

Abb.2. Idealisierter Querschnitt durch die Erdkruste, aus Emile With"L´Ecorce terrestre" (1874), die die damalige Vorstellung des schaligen Erdaufbaus gut darstellt. Konzentrische Schalen aus unterschiedlichen Magmatypen konnten laut einigen Geologen die unterschiedliche chemische Zusammensetzung von Vulkangesteinen erklären - je nachdem wo die Wurzelzone eines Vulkans lag dominierten basische oder saure Eruptivgesteine.

Diese Hypothese schien durch die Entdeckung von Andesiten und Daciten in den San-Juan-Bergen (Colorado) bestätigt zu werden. Der amerikanische Geologe Larsen beschrieb hier in 1938 große Plagioklas-Kristalle die in einer feinkörnigen Matrix mit völlig unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung eingebettet waren. Für Bunsen schien es klar dass die Kristalle nachträglich in die Laven eingemischt wurden.

Geologe Charles Darwin hatte auf seine fünfjährigen Reise um die Welt am Bord der "Beagle" viel Zeit und viele Gelegenheiten um vulkanische Gesteine zu studieren und über sie nachzudenken:


"Die größten Schwierigkeiten die Geologen erfahren, wenn sie versuchen die Zusammensetzung der vulkanischen und plutonischen Gesteine zu vergleichen, kann, so denke ich, überwunden werden, wenn man, wie ich glaube, annimmt dass die meisten plutonischen Massen zu einem gewissen Zeitpunkt, und in einem gewissen Ausmaß, ihre verhältnismäßig schweren und leicht lösbaren Elementen verloren haben, die [dann] die Trapp- und Basaltlaven bilden."
"Geological Observations on the Volcanic Islands" (1844)

Hier schlägt Darwin eine erste Art von magmatischer Differentiation vor. Kristalle fällen sich aus dem Magma aus und sinken der Schwerkraft folgend auf den Grund der Magmakammer, die restliche Schmelze verarmt an gewissen Elementen die in diese Kristalle eingebaut wurden. Damit können sich aus einem Stamm-Magma unterschiedlichen Schmelzen und Gesteine bilden.


Einen entscheidenden Schritt im Verständnis von magmatischen Gesteinen gelang durch die Experimente von Norman Levi Bowen(1887-1956). Bowen wurde in 1887 in Kingston (Ontario, Kanada) geboren, studierte zunächst auch in Kanada, wechselte dann aber zum Massachusetts Institute of Technology wo er Arthur L. Daykennenlernte. Day war Direktor am Geophysikalischen Labor in Washington und sehr an den mineralogischen Bildungen und Reaktionen in magmatischen Gesteinen interessiert. 
Er schlug Bowen daher vor das Verhalten von Feldspat in Schmelzen zu untersuchen. Day wußte (auch aufgrund der Expeditionen und petrographischen Beobachtungen des deutschen Mineralogen Wolfgang Sartorius Freiherr von Waltershausen, 1809-1876) das Plagioklas zumeist ein Mischkristall zwischen den Endgliedern Anorthit und Albit ist, war aber darin gescheitert den Verlauf der Schmelzkurve dieser Mischung zu bestimmen. Dank elektrischer Heizöfen, genauen Temperatursonden und neuartiger Analysemethoden (z.B. dem "quenching", bei den die Proben rasch abgekühlt werden und danach analysierte werden können) konnte Bowen das Phasendiagramm des Plagioklas-Feldspats schließlich in 1913 publizieren.

 
Abb.3. Phasendiagramm der Plagioklase aus der Originalarbeit von Bowen ("The melting phenomena of the plagioclase feldspars", 1913). Dieses Diagramm erklärt wie sich beim Abkühlen durch kontinuierliche Reaktionen zwischen Kristall und Schmelze der Chemismus von Kristall und Schmelze verändern können. Wird nun der Kristall oder die Schmelze aus diesem System abgeführt, verändert sich der Ausgangschemismus  - neue Kristalle und Gesteine können sich aus dieser "neuen Schmelze" bilden. Das Diagramm kann auch umgekehrt gelesen werden - werden Kristalle erhitzt entsteht zunächst eine Schmelze mit unterschiedlicher Zusammensetzung.

Bowen war restlos davon überzeugt das allein fraktionierte Kristallisation bzw. fraktionierte Aufschmelzung die Genese von magmatischen Gesteinen erklären konnte.

Allerdings hatten auch die Hypothese der "Magmatisierung" und die weiterentwickelte Hypothese der Kristall-Fraktionierung einige schwerwiegende Schwachpunkte:

-    Um die beobachteten Volumen an Granit zu erklären benötigte man ungefähr das 9-fache an basaltischem Stamm-Magma, da die Fraktionierung ein sehr ineffizienter Vorgang ist.
-    Wieso sind Granitintrusionen nur auf den Kontinenten verbreitet? Fraktionierung sollte überall auf der Erde stattfinden können.

"Das merkwürdige liegt nicht in den gegenwärtigen Meinungsverschiedenheiten der Petrographen über den Ursprung des Granits, sondern darin, daß wir überhaupt so leidenschaftlich und starr an Meinungen festzuhalten vermögen, die sich gegenseitig ausschließen."
M. Walton (1955)


Abb.4. Feinkörnige Granit-Intrusion (rechts) in verfalteten Gneis (links). Der Gneis wurde dabei teilweise aufgeschmolzen es bildeten sich Taschen mit weißlichen Schmelzresten, während in der eigentlichen Schmelze große Plagioklase auskristallisierten. Ein späterer Pegmatit-Gang durchschlägt beide Gesteine.

Heutzutage wird ein intermediäres Modell bevorzugt um die große Variabilität innerhalb der magmatischen Gesteine zu erklären -  die verschiedensten Mechanismen spielen dabei eine Rolle:

-    Genese von Stamm-Magmen durch partielles Aufschmelzen der Gesteine des Erdmantels (Herkunft der Basalte) oder der unteren Erdkruste (dies würde die Verteilung der Granite erklären).
-    Die klassische fraktionierte Kristallisation wie sie von Bowen vorgeschlagen wurde (wobei allerdings nicht nur die Schwerkraft und Dichteunterschiede wie von Darwin gedacht, sondern auch Magmaströmungen und die Topographie der Magmakammer eine Rolle in der Ausscheidung und Ansammlung von verschiedenen Kristallen und Restschmelzen spielen).
-    Entmischung im schmelzflüssigen Zustand
-    Mischung von Magmen unterschiedlicher Herkunft, ungefähr so wie sie Bunsen vorschlug
-    Assimilation und Aufschmelzung von weiteren Fremdgestein beim Aufsteigen des Magmas durch die Erdkruste (weiterer wichtiger Mechanismus um die Genese und Verbreitung von Granit zu erklären)

Literatur:

HÖLDER, H. (1989): Kurze Geschichte der Geologie und Paläontologie - Ein Lesebuch. Springer Verlag, Heidelberg: 243
YOUNG, D.A. (2002): Norman Levi Bowen (1187-1956) and igneous rock diversity. From OLDROYD, D.R. (ed.); The Earth Inside and Out: Some Major Contributions to Geology in the Twentieth Century. Geological Society, London, Special Publications Nr. 192: 99-111

Das Geheimnis der Geißberger

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"Noch starrt das Land von fremden Zentnermassen;
Wer gibt Erklärung solcher Schleudermacht?
Der Philosoph, er weiß es nicht zu fassen,
Da liegt der Fels, man muß ihn liegen lassen,
Zuschanden haben wir uns schon gedacht. –
Das treu-gemeine Volk allein begreift
Und läßt sich im Begriff nicht stören;
Ihm ist die Weisheit längst gereift:
Ein Wunder ist's, der Satan kommt zu Ehren.
"
Mephistopheles in Goethes "Faust - Der Tragödie zweiter Teil" (1832)

In weiten Teilen Europas und Nordamerikas können einzelne, große Blöcke gefunden werden, deren Gesteinsart sich stark von der Umgebung unterscheidet wie z.B. Granitblöcke die auf Sedimentgestein aufliegen. 
Mythen und Legenden ranken sich um diese seltsamen verirrten Blöcke.  Einst – so eine der unzähligen Geschichten - versprach ein habgieriger Bauer dem Teufel seine Seele, falls der es schaffe in nur eine Nacht eine Mauer um seine Ländereien zu errichten. Der Leibhaftige machte sich flugs an die Arbeit, und schon bald wurde dem Bauer Angst und Bange und er bereute seine törichte Wette. Er rannte zum hiesigen Pfarrer, der zum Glück guten Rat wusste. Gerade als der Teufel den letzten Felsblock heranflog und am Horizont bereits die Morgenröte heranbrach, läutete er die Kirchenglocke und dem Teufel entglitt vor lauter Schrecken der Felsblock, der vom Himmel stürzte - und da liegt er noch heute.
In Skandinavien wurden die Findlinge als “Wurfsteine der Riesen“ bezeichnet. Um Grenzstreitigkeiten aus dem Weg zu räumen bewarfen sich die Trolle (die laut norwegischen Legenden schon mal haushoch wurden) schon mal mit Felsbrocken oder bauten (Moränen-)Wälle um sich zu schützen.


Tatsächlich rätselten auch angesehene Naturforscher lange Zeit was es mit den erratischen Blöcken denn nun auf sich hatte. Die frühesten Beschreibungen von Findlingen stammen vom Historiker Karl Nicolaus Lange (1670-1741) und dem Mediziner Lars Roberg (1664-1742), die sich allerdings darauf beschränkten die Blöcke als seltsame Sehenswürdigkeiten in ihren Reiseerzählungen zu erwähnen.

Die Schweizer Mediziner und Naturforscher Louis Bourget (1678-1740) und Moritz Anton Cappeler(1685-1769, der auch ein viel beachtetes mineralogisches Werk publizierte) ließen die Steine einfach vom Himmel fallen*. Der Geologe JeanAndré Deluc (1727-1817, der auch den Begriff Geologie in den allgemeinen Gebrauch als Wissenschaft der Erde einführte) und der Ingenieur Johann Esaias Silberschlag (1721-1791) vermuteten das heftige unterirdische Gaseruptionen die Blöcke durch die Luft schleudern konnten. Der Französische Naturforscher Dolomieu (1750-1801) erklärte die Verteilung der Blöcke als Reste einer erodierten Gesteinsfläche.
Der Schweizer Naturforscher Gottlob Sigmund Gruner (1717-1778) publizierte zwischen 1760 und 1762 sein Werk „Die Eisgebirge des Schweizerlandes“ wo er richtigerweise den Herkunftsort der rätselhaften Felsblöcke, die überall in den Alpenvorland gefunden wurden, in den Alpen selbst vermutete (er bezeichnet die Blöcke als  Geißberger, da sie aus den Geißbergen stammen). 
Der Schweizer Naturforscher Horace Benedict de Saussure (1740-1799) formulierte daraufhin eine der überzeugendsten Erklärungen – eine gewaltige Flut, vielleicht auch die biblischen Flut –hatte die Blöcke aus den Bergen mitgerissen und sie auf den flachen Ebenen abgelagert. Diese Hypothese passte zu den Beobachtungen von zeitgenössischen Überflutungen die durch Ausbrüche von Gletscherseen große Schäden in den Alpentälern verursachten. Im Winter 1817/18 brach ein 2 Kilometer langer und 60 Meter tiefer Stausee aus, der durch einen Eisfächer des Giétroz-Gletscher aufgestaut worden war. Im Sommer 1818 brach der Fluss Dranse abermals durch den natürlichen Damm und noch im 44 Kilometer entfernten Rhonetal fand man große Granitblöcke die die Flut mitgerissen hatte. 

Abb.2. Der Naturforscher Escher von der Linth (1767-1823) zeichnet im Jahre 1818 den natürlichen Eis-Staudamm der die Dranse aufstaute als Beispiel dafür wie plötzliche und heftige Sturzluten im Gebirge entstehen können.

Der große Geologe Leopold von Buch (1774-1853) war einer der wichtigsten Anhänger dieser „Fluthypothese“ und blieb es auch bis zu seinem Lebensende. Die  weite Verbreitung der Findlinge erklärte er durch den Ausbruch großer Seebecken in den Alpen, die Flut beförderte Blöcke ins Alpenvorland. Die Verbreitung bestimmter Gesteinsarten erklärte er durch Strömungsänderungen in der schlammigen Flut (heute werden die verschiedenen Herkunftsorte der Findlinge benutzt um Einzugsgebiete und Ausdehnung der ehemaligen Gletscher zu rekonstruieren). 
Um 1830 kam eine abgeänderte Version der Fluthypothese auf – da klar wurde das besonders große Findlinge auch von einer noch so gewaltigen Flut nicht bewegt werden konnten und sich auch die Hinweise auf ehemalige Klimaveränderungen häuften, nahm man an das die Blöcke in Eisbergen eingefroren waren. Stieg das Wasser, schwammen die Eisberge obenauf, sobald sie schmolzen lagerten sich die Blöcke ab.
Abb.3. aus Bristow, H.G. (1872): The world before the deluge zeigt eine der gängigen Hypothesen um die erratischen Blöcke zu erklären. Nachdem klar wurde dass auch Flutwellen schwerlich in der Lage sind besonders große Findlinge zu transportieren, wurde als Alternative die Eisdrifthypothese formuliert - Eis um die Blöcke würde es dem Wasser wesentlich erleichtern die schweren Steine zu transportieren.

*(die Lenape- oder Delaware-Indianer vom Gebiet der großen Seen in Nordamerika kennen Findlinge als "pamachapuka" - die Steine vom Himmel)

Literatur:


SEIBOLD, E. & SEIBOLD, I. (2003): Erratische Blöcke-erratische Folgerungen: ein unbekannter Brief von Leopold von Buch von 1818. Int. J. Earth Sci. (Geol. Rundschau) 97: 426-439

Das Geheimnis der Erdbebenlichter - Gelöst ?

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Mulder: Sie glauben so fest an ihr Wissenschaft, Scully. Aber die Dinge, die ich gesehen habe gibt es in ihrer Wissenschaft gar nicht.
Scully: Nichts kann im Widerspruch zur Natur existieren, sonder nur im Widerspruch zu dem, was wir darüber wissen. Und an dem Punkt werden wir anfangen. Dort gibt es Hoffnung.
Akte X,
1996

Erdbebenlichter sind seltsame Leuchterscheinungen die kurz oder während eines Erdbebens auftreten sollen und unterschiedlich beschrieben werden - von weiß-rötlich-blauen diffusem Licht zu Wolken oder Streifen an Himmel zu konkreten "Lichtkugeln"  mit rötlich-weißer Farbe. 

Dokumentiere Augenzeugenberichte reichen mehrere hundert Jahre zurück. Der Irische Ingenieur Robert Mallet (der die seismischen Zonen im Mittelmeer erkannte) publizierte zwischen 1851 und 1855 einen Katalog in dem er solche Leuchtphänomene sogar bis zurück ins Jahr 1606 vor Christus datierte (wobei er Beschreibungen von "Feuersäulen" als Erdbebenleuchten interpretierte). Der frühe Geologe James Huttonberichtet von einem Erdbeben um 1888 bei Christchurch (Neuseeland), wo verschiedene "Leuchterscheinungen" beobachtet wurden - wobei Hutton allerdings keinen Zusammenhang zwischen beiden Phänomene  sieht. 
Der Italienische Naturforscher Ignazio Galli verfasst um 1910 schließlich eine erste Klassifizierungsmethode für Erdbebenlichter.
 
Da lange Zeit jedoch nur Geschichten vorlagen, wurden Erdbebenlichter von Seismologen mehr als Folklore denn als reales Phänomen angesehen.
 
Im Jahre 1973 präsentierte der japanische Geologe Yutaka Yasui neben einer Sammlung von Augenzeugenberichten allerdings erstmals Fotos, die rote und blaue Farbstreifen am Himmel über der japanischen Stadt von Matsushiro zeigten und die zeitgleich mit einem Schwarm kleinerer Beben auftraten. Weitere Fotos folgten, so dass zumindest die Existenz von Erdbebenlichtern heutzutage als gesichert angenommen werden kann. 
Abb.1. Einige der seltenen Fotografien die als echt angesehen werden, Erdbebenlichter beim japanischen Vulkan Kimyo, aufgenommen im September 1966 und die erste publizierte Fotografie des japanischen Geologen Y. Yasui - die Bilder wurden während einer Serie von Erdbeben zwischen 1965-1967, die die japanische Präfektur Nagano trafen, aufgenommen.

Allerdings scheinen Erdbebenlichter nicht unbedingt mit einzelnen Erdbebenereignissen zusammenzuhängen. Leuchtphänomene wurden hunderte Kilometer entfernt vom Epizentrum des Erdbebens und auch Monate vor dem eigentlichen Ereignis beobachtet. 
Bereits sieben Monate vor dem Erdbeben von L´Aquila (6. April 2009) wurden seltsame Lichterscheinungen am nächtlichen Himmel beobachtet bzw. sogar fotografiert, wobei eine große Anzahl sich allerdings im Nachhinein als Planet Venus entpuppten. Als wahrscheinliche "echte" Erdbebenlichter blieben immerhin Berichte von diffusen Wolken, Flammen und Blitze, sowie "Feuersäulen" während des eigentlichen Erdbebens, übrig.

Abb.2. Angebliches Erdbebenlicht das 30 Kilometer südlich von L´Aquila aufgenommen wurde, beinahe ein Jahr (!) vor dem eigentlichen Erdbeben. Das Bild zeigt die andere tyische Erscheinungsform die Erdbebenlichter annehmen können, als "schwebende Feuerkugeln", aus FIDANI 2010.
 

Zurzeit gibt es noch keine befriedigende Erklärung wie es zu diesen Erscheinungen kommen könnte. Die plausibelste klingende Arbeitshypothese nimmt an, dass es sich um einen elektromagnetischen Effekt handelt. Dazu würde passen, dass Augenzeugen von Störgeräuschen bei Funkverbindungen berichten und sogar elektrische Glocken von Telefonen bei Erdstößen zu läuten beginnen bzw. ein Knistern in der Luft zu hören ist. Elektrische Felder oder geladene Teilchen regen - so die Theorie - Luftmoleküle an, das resultierende Plasma erscheint dem Augenzeugen als Leuchterscheinung.
 
Eine jetzt veröffentlichte Studie (THERIAULT et al. 2013) hat die wesentlichen Beobachtungen und Theorien zu diesen Erdbebenlichtern nochmals zusammengefasst und das Verhältnis tektonische Störungen - Leuchterscheinungen untersucht.
 
Gesteine sind normalerweise Isolatoren und leiten keinen elektrischen Strom der nötig ist um ein Feld aufzubauen oder Ionen zu erzeugen. Werden Gesteine unter Druck gesetzt, bzw. bei tektonischen Bewegungen verformt, kommt es zu einem piezoelektrischen Effekt der einen schwachen Stromfluss erzeugen kann. Allerdings ist dieser Stromfluss vernachlässigbar klein.
 
Der deutschstämmige Physiker Friedemann T. Freund publizierte in 1993 die "p-Hole-Theory" die eine effektivere (wenn auch hypothetische) Möglichkeit beschreibt.
Durch tektonische Verformung kommt es zu Gitterfehlstellen in den Quarzkristallen von Gesteinen. Diese Fehlstellen konzentrieren sich entlang der Kristalloberfläche, wo diese "elektrischen Löcher" vorbeiziehende Atome ionisieren. Diese so gebildeten freien Ionen wandern entlang von Störungszonen zu Oberfläche, wo sie aufsteigen und letztendlich die Luftmoleküle ionisieren können - ein Plasma entsteht.
Dazu würde passen das Leuchterscheinungen - so die neue Studie - eher an steilstehenden Störungssysteme (die vielleicht die vertikalen Bewegung der Ionen erleichtert) und an kristallinen (quarzreichen) Gesteinen gebunden zu sein scheinen. Die Leuchterscheinungen treten bevorzugt entlang von Störungssystemen auf, wie sie in Grabenbrüchen und bei Seitenverschiebungen zu finden sind. Im Jahre 1911 wurde zum Beispiel ein Erdbeben bei Ebingen von Leuchterscheinungen begleitet, die sich entlang des östlichen Abhangs des Rheingrabens und im kleineren Hohenzollern Graben konzentrierten.
 
Die Studie scheint einige Punkte früherer Theorien zu bestätigen, ist aber bei weitem nicht eindeutig. 
Wie die Autoren selbst einräumen, ist es schwer von mündlichen Beschreibungen allein eindeutig zu bestimmen, ob es sich um ein "echtes" Erdbebenlicht handelt oder um etwaige Fehlinterpretationen durch den Augenzeugen (z.B. Sterne, Brände, gewöhnliche UFO). Erdbebenlichter werden auch sehr (zu sehr?) unterschiedlich beschrieben, von einfachen diffusen Verfärbungen zu Kugelblitzen zu Feuersäulen, möglicherweise werden hier unterschiedlichste Phänomene, die nichts mit seismischer Aktivität zu tun haben, in einen Topf geworfen. 
Weiteres scheint es seltsam, das ein Phänomen das in Zusammenhang mit Zusammenpressen von Gesteinen steht, gerade in tektonischen Regimes auftreten soll, die durch divergente Kräfte gekennzeichnet werden.
 
Literatur:
 
FIDANI, C. (2010): The earthquake lights (EQL) of the 6 April 2009 Aquila earthquake, in Central Italy. Nat. Hazards Earth Syst. Sci. 10: 967-978
TRAUFETTER, G. (2003): Blitze aus dem Boden. Der Spiegel 42: 204-207

William Smith und der Versteinerte Code

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"Ich spreche mit Dankbarkeit über die praktische Lektionen, die mir Mr. Smith erteilt hat. Als ich in seinen Fußstapfen, seine Karten in der Hand, durch Wiltshire und die Nachbar-Counties ging, wo er fast 30 Jahre zuvor unterwegs gewesen war, lernte ich die Anordnungen unserer oolothischen Schichten kennen … Ich appelliere an jene klugen Männer, die Kraft und die Zierde dieser Gesellschaft bilden, .. zunächst, ehe wir über die Leistung irgendeines anderen Mannes nachdenken, den Vater der englischen Geologie zu ehren."
Professor Adam Sedgwick 1831 in einer Rede vor der Geological Society of London anlässlich der erstmaligen Verleihung der Wollaston-Medaille an William Smith.



William Smith wurde am 23. März 1769 im Dorf Churchill (Oxfordshire) geboren.  Aus einfachen Verhältnissen stammend, interessierte er sich bereits früh für Fossilien und erlernte später den Beruf des Landvermessers. In dieser Rolle kümmerte er sich auch viel um baugeologische Probleme - Verlauf und Profilierung von Kanälen und Straßen, Entwässerung von Land und Stollen in Bergbaugebieten. In den Kohlenminen bemerkte er, dass die wertvollen Kohlenflözen immer in einer charakteristischen Gesteinsabfolge angetroffen wurden - unter der Kohle findet man einen grauen Lehm (der ehemalige Boden des Karbon-Sumpfes),  über der Kohle marine Ablagerungen (wenn der Karbon-Sumpf überflutet und von jüngeren Sedimenten überdeckt wurde).
 
Seine große Leidenschaft für Fossilien ließ ihn auch eine charakteristischen "Code" der versteinerten Überreste ehemaliger Tiere und Pflanzen in den Gesteinen erkennen - ein wichtiger Schritt um auf geologischen Karten die Gesteine anhand ihrer relativen Alter zu unterscheiden.
 
In 1816 publizierte er seine Beobachtungen im Buch "Strata - Identified by organized Fossils", wo er das Prinzip der Faunenabfolge vorschlug - ähnliche Gesteinsarten können durch ihren Fossiliengehalt unterschieden werden bzw. Gesteinsaufschlüsse über weite Strecken miteinander in Bezug gebracht werden können.

Literatur:

SMITH, W. (1816-1819). Strata identified by organized fossils, containing prints on coloured paper of the most characteristic specimens in each stratum. London: W. Arding.
WINCHESTER, W. (2001). The Map that Changed the World: William Smith and the Birth of Modern Geology. New York: Harper Collins.

Georg Pawer - Vom Wesen des Ausgegrabenen

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Georg Pawer, besser bekannt als Georgius Agricola, wurde am 24 März 1494 in der sächsischen Stadt Glauchau geboren. Als Sohn einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie konnte er es sich leisten zwischen 1514-1518 ein Theologie-Studium an der Universität  Leipzig zu absolvieren. Nach dem ersten Studienabschluss unterrichtete er eine Zeitlang in Zwickau, um nach 1522 in Leipzig, Bologna und Padua Medizin und Philosophie zu studieren. 

Zwischen 1524 und 1526 kümmerte er sich in Venedig um die Herausgabe von antiken griechischer Schriften zur Medizin und begann sich auch um die beschriebenen Medizinrezepturen, die teils auf mineralischer Basis beruhen, zu interessieren.
 

Im Jahre 1527 fand er eine Stelle als Stadtarzt im heute tschechischen Jàchymov, eine Stadt die in einem Gebiet mit bedeutenden Silbervorkommen lag - hier konnte Agricola seine mineralogischen Interessen vertiefen. in 1530 publiziert er "Bermannus sive de re metallica" in dem er die damalige Bergbautechnik und Erzgewinnung beschreibt - und auch "moderne" medizinische Rezepturen mit Mineralien.
 
In einem seiner wichtigsten Werke, "De natura fossilium" (1546)  - vom Wesen des Ausgegrabenen -  fasst er das gesamte Wissen zur damaligen Zeit über Mineralien und andere, aus der Erde gegrabenen Artefakte, zusammen.
 
Aber erst in 1556, kurz nach seinem Tod, erschien sein bedeutendsten Werk, "De re metallica libri XII":

 Abb.1.De Re Metallica Libri XII, in einer Ausgabe von 1657

"Der einfache Bergmann glaubt deshalb an die Brauchbarkeit der Wünschelrute, weil die Rutengänger manchmal Gänge durch Zufall finden. Aber viel öfter wenden sie die Mühe vergeblich auf.. Der wahre Bergmann benutzt … den Zauberstab nicht.. sondern er beachtet ... die natürlichen Kennzeichen der Gänge"

Das Buch reicht weit über die Beschreibung des Verlaufs und Erkennens von mineralienführenden Gesteinen hinaus und galt über 200 Jahre lang als eine der vollständigsten Darstellungen des Mittelalterlichen Hüttenwesen und Bergbautechnik die je verfasst wurden.

Mount St. Helens - Der Vulkan lebt

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Der Ausbruch des Mount St. Helens am 18. Mai 1980 war durch eine überrasschende Varietät von vulkanischen Phänomenen begleitet - eine Stein- und Glutlawine überdeckte mehr als 60 Quadratkilomter und verbrannte fünfzehn. Mehr als 550 Quadratkilomter von dichten Douglas-Tannen Wald wurden durch die Druckwelle der Eruption niedergemäht und die äusseren Zonen durch heißen Gase, Schlammströme und Aschefall beeinflusst.
 
Vor der Eruption wurden in den Lebensräumen rund um den Krater 286 Pflanzenarten gezählt, danach war nur noch eine graue Mondlandschaft übrig.
 
Die vulkanischen Ablagerungen wiesen völlig unterschiedliche geologische Eigenschaften als die vorherigen Böden auf - stark wasserdurchlässig mit einem sauren pH, schutzlos der gleissennden Sonne ausgesetzt - und doch, bereits ein Monat später wurden di ersten Pflanzen auf den Vulkanablagerungen entdeckt. Um die 20 Pflanzenarten allein hatten in der verwüsteten Zone überlebt und von der weiteren, unbeeinflussten Umgebung wanderten schon bald weitere Pionierarten hinzu.



Literatur:
 
DALE, V.H. & ADAMS, W.M. (2003): Plant reestablishment 15 years after the debris avalanche at Mount St.Helens, Washington. The Science of the Total Environment 313: 101-113
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